Das 2. Buch Des Blutes - 2
gleich, was Sie sind«, kam die gereizte Antwort, »ein Lamm sind Sie nicht.«
Wieder erschien das Lächeln auf Lichfields Gesicht, wobei sich das Gewebe um seinen Mund lediglich dehnte, um so seinem Ausdruckswillen nachzukommen.
Calloway zog sich ins Pub zurück und hatte unablässig diese Sichel räuberischer Zähne vor Augen; er war beunruhigt, ohne daß er wirklich hätte sagen können, weshalb.
In der Spiegelkammer ihrer Garderobe war Diane DuvaÜ
gerade mit den Vorbereitungen für ihren Auftritt so gut wie fertig.
»Sie können jetzt reinkommen, Mr. Lichfield«, verkündete sie.
Noch ehe die letzte Silbe seines Namens auf ihren Lippen verklungen war, stand er in der Tür. »Miss Duvall.« Er verbeugte sich vor ihr, leicht und voller Hochachtung.
Sie lächelte; so galant.
»Können Sie mir mein Hereinplatzen von vorhin nochmal verzeihen?«
Sie machte auf schüchtern-spröd; das brachte die Männer immer zum Schmelzen. »Mr. Calloway…«, fing sie an,
» Ein sehr hartnäckiger junger Mann, könnte ich mir denken.«
»Ja.«
»Und scheut sich womöglich nicht, seiner Hauptdarstellerin ganz angelegentlich den Hof zu machen?«
Sie runzelte ein wenig die Stirn; wo die ausgezupften Bögen ihrer Brauen zusammenliefen, tanzte eine Falte.
»Ich fürchte, ja.«
»Alles andere als professionell«, sagte Lichfield. »Aber, Sie verzeihen - ein nur zu begreifliches Faible.«
Wie auf der Bühne bewegte sie sich von ihm weg, zur Beleuchtung ihres Spiegels. Sie wußte, daß die Lampen, wenn sie sich jetzt umdrehte, ihr Haar noch vorteilhafter von hinten anstrahlen würden.
»Also, Mr. Lichfield, was kann ich für Sie tun?«
»Es handelt sich, ehrlich gesagt, um eine delikate Angelegenheit«, sagte Lichfield. »Die bittere Wahrheit ist, daß - wie soll ich sagen? - Ihre Talente dieser Inszenierung nicht im besten Sinne zuträglich sind. Ihrem Stil fehlt es an Delikatesse.«
Sekundenlanges Schweigen. Sie schniefte, dachte über die Tragweite der Bemerkung nach und bewegte sich dann aus dem Bühnenmittelpunkt Richtung Tür. Die. Art, wie sich diese Szene angelassen hatte, gefiel ihr ganz und gar nicht. Da erwartete sie einen Bewunderer, und statt dessen rückte ihr ein Kritiker auf die Pelle.
»Raus!« sagte sie mit einer Stimme wie aus Schiefer.
»Miss Duvall…«
»Ich wiederhole mich nicht gern.«
»Sie fühlen sich nicht besonders wohl als Viola, oder?« fuhr Lichfield fort, als hätte der Star nichts gesagt.
»Das geht Sie einen Dreck an«, fauchte sie zurück.
»Das tut es doch. Ich habe die Proben gesehen. Sie waren nicht überzeugend, ohne innere Wärme. Die Komödie ist geistlos, die Wiedervereinigungsszene, die uns zutiefst erschüttern sollte, bleiern schwerfällig.«
»Hab’ Sie nicht nach Ihrer Meinung gefragt, danke.«
»Sie haben keinen Stil…«
»Verpissen Sie sich!«
»Keine persönliche Ausstrahlung und keinen Stil. Mit Sicherheit sind Sie am Fernseher die Ausstrahlung persönlich, aber die Bühne verlangt eine besondere Wahrhaftigkeit, eine Beseeltheit, die Ihnen, offen gestanden, abgeht.«
Die Szene heizte sich langsam auf. Sie wollte ihm eine reinhauen, aber sie konnte keinen geeigneten Beweggrund dafür finden. Sie konnte diesen verwelkten Poseur unmöglich ernst nehmen. Er paßte mehr ins Musical als ins Rührstück, mit seinen schnieken grauen Handschuhen und seiner schlucken grauen Krawatte. Doofe, giftige Schwuchtel, was wußte er schon von Schauspielerei?
»Raus hier, bevor ich den Inspizienten rufe!« sagte sie, aber er trat zwischen sie und die Tür.
Eine Vergewaltigungsszene? War’s das, was sie spielten? War er scharf auf sie? Gott bewahre!
»Meine Frau«, sagte er jetzt, »hat die Viola gespielt…«
»Wie schön für sie.«
»… und sie ist der Ansicht, daß sie die Rolle mit ein bißchen mehr Leben erfüllen könnte als Sie.«
»Wir haben morgen Premiere«, antwortete sie unwillkürlich, als wolle sie ihr Vorhandensein verteidigen. Warum, verdammt, versuchte sie überhaupt, vernünftig mit ihm zu reden?
Rumpelt hier rein und macht diese abscheulichen Bemerkungen. Womöglich, weil sie ein bißchen Angst hatte. Jetzt, aus der Nähe, roch sein Atem nach teurer Schokolade.
»Sie kann die Partie auswendig.«
»Es ist meine Rolle, Und ich spiele sie auch. Ich spiele sie, selbst wenn ich die schlechteste Viola in der Geschichte des Theaters bin, klar?« Sie versuchte, die Fassung zu bewahren, aber es fiel ihr schwer. Irgendwas an ihm machte sie nervös. Es war
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