Das 2. Gesicht
tun, so wie alles mit allem zu tun hat?
In der Auffahrt zu unserem Haus stand ein Polizeiwagen. Ich parkte neben ihm und stürmte ins Haus. Zwei Polizisten saßen in unserem großen Wohnzimmer vor der Küche, George stand am Tresen und redete auf die zwei Männer ein.
„Da ist sie ja“, rief George. Er stellte mich den Polizisten vor. Einer der beiden, er hieß Marques, schrieb offensichtlich mit, der andere, ein Officer Sheldon, stellte die Fragen. Wann ich Sandra zum letzten Mal gesehen hatte, was sie anhatte, ob wir Streit gehabt hätten. Ach so, dachte ich, die denken jetzt, dass Sandra sich ohne meine Erlaubnis das Auto genommen hatte. Was für eine gute Geschichte hatte George den beiden eigentlich erzählt? Ich war so schockiert gewesen im Einkaufszentrum, dass ich überhaupt nicht daran gedacht hatte, meine Geschichte mit Georges Geschichte abzustimmen.
George kam zu mir herüber, nahm mich in den Arm und drückte mich in diesen weichen, tiefen Sessel, aus dem sogar ich Schwierigkeiten hatte, aufzustehen, ohne dass ich an Kafkas Käfer erinnerte.
„Hören Sie, Officer“, sagte George. „Sandra und meine Frau hatten keinen Streit. Meine Frau freute sich seit Wochen auf ihre beste Freundin. Die beiden hatten sich so viel zu erzählen, nachdem ich meine Frau frecherweise geradezu entführt hatte aus Berlin. Wie ich Ihnen schon sagte, wir haben den BMW nur als gestohlen gemeldet, weil wir uns solche Sorgen um Sandra machen. Meine Frau hat selbst alle Parkplätze abgeklappert auf der Suche nach ihrer Freundin.“
Ach. Er hatte ihnen also eine sehr gute Geschichte erzählt. Nämlich die Wahrheit. Und was sollte ich jetzt erzählen? Auch die Wahrheit?
„Ich schwöre Ihnen, meine Freundin würde niemals freiwillig so lange wegbleiben, ohne mir Bescheid zu geben.“
Die beiden Polizisten schauten sich an. Was hatte dieser vielsagende Blick zu bedeuten?
„Wir haben das Handy in Ihrem Wagen gefunden“, sagte Marques. Deshalb also hatte George die Wahrheit gesagt, durchfuhr es mich. Deshalb also waren die Polizisten bereits zu uns gekommen, obwohl sie doch angeblich nicht am selben Tag nach Vermissten suchten. Deshalb also. In meinem Kopf drehte sich alles.
„Dann sehen Sie ja, wen sie zuletzt angerufen hat“, sagte ich und wusste gleichzeitig, dass ich jetzt die Wahrheit sagen musste. Jedenfalls einen Teil davon.
„Ja, wir wissen, wen sie angerufen hat. Von ihrem Handy. Mit wem war sie denn verabredet?“, fragte Sheldon.
„Mit Ferdinand Kuhn“, antwortete ich.
„Was, mit Ferdi?“, fragte George überrascht. „Das ist der Mann, der mir dieses Haus verkauft hat. Woher kennen sie sich?“
„Sandra erwartet eine Erbschaft. Sie wollte sich hier ein paar Häuser ansehen“, log ich und hoffte, dass das mit der Erbschaft niemand nachprüfen würde. „Wir waren zusammen bei dem Makler, den uns die Nachbarn empfohlen haben“, sagte ich.
George schaute mich mit undefinierbarem Blick an.
„Wie heißen die Nachbarn?“, fragte Marques.
„Frank und Lydia, sie wohnen gegenüber. Wir haben sie vor Kurzem kennengelernt und sind schon zweimal mit Lydia morgens joggen gewesen“, erklärte ich mehr meinem Mann als den Polizisten.
„Ich habe den Makler natürlich als Erstes angerufen, als Sandra nicht nach Hause gekommen ist. Sie ist angeblich nie bei ihm angekommen, obwohl sie noch eine halbe Stunde vorher zugesagt hatte“, berichtete ich. Georges Augen verengten sich zu Schlitzen. Ich hielt mich in meinem Sinksessel fest. Mir war klar, dass es ein Donnerwetter geben würde, wenn die beiden Beamten gegangen wären. George würde natürlich wissen wollen, warum ich ihm das verschwiegen hatte.
Mir war heiß. Und ich hatte Durst. George muss gesehen haben, dass ich blass geworden war, denn er ging in die Küche und schenkte mir ein Glas kalten Tee ein, gab ein paar Eiswürfel und Zitrone dazu und stellte mir das Glas auf den kleinen Tisch neben dem Sinksessel. „Möchten Sie auch?“, fragte er die Polizisten, die dankend ablehnten. Ich stürzte den eiskalten Tee fast in einem Zug runter. Es brachte meinen Kreislauf wieder fast auf Normalniveau.
Die Polizisten fragten, ob sie das Zimmer von Sandra sehen dürften. Ich krabbelte so graziös wie möglich aus dem Sessel und führte die beiden in den ersten Stock in das hintere Gästezimmer. Sheldon besah sich angelegentlich die Deckeninstallationen.
„Sieht aus, als seien Sie gut bewacht“, meinte er und deutete auf die blinkenden grünen und roten
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