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Das 2. Gesicht

Das 2. Gesicht

Titel: Das 2. Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nika Lubitsch
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bitte erstmal nicht auf. Es gibt vielleicht eine ganz einfache Erklärung für Sandras Verschwinden.“
    „Danke, George“, sagte ich und legte auf. War ich erleichtert? Ja und nein. Ja, weil wir etwas tun konnten. Ja, weil ich hoffte, dass man Sandra über das Auto finden würde. Ja, weil ich immer noch hoffte, niemandem erklären zu müssen, warum Sandra sich mit dem Makler meines Mannes treffen wollte. Ich schaute auf meine rechte Hand und stellte fest, dass ich bereits vier Fingernägel abgekaut hatte, und zwar bis zu den leicht blutenden Fingerkuppen. Das hatte ich das letzte Mal in der dritten Klasse getan.
    Und dann hatte ich noch eine Idee. Ich setzte mich vor den Computer und googelte alle Krankenhäuser in der Umgebung. Dann hängte ich mich ans Telefon und klapperte alle Krankenhauszentralen ab. Aber Sandra war nirgendwo eingeliefert worden, es hatte also keinen Unfall gegeben.
    Es war mir unmöglich still zu sitzen. Nach meinem Telefonmarathon schnappte ich mir die Autoschlüssel vom Jeep und machte mich auf die Suche nach dem BMW. Ich hatte die Hoffnung, den anthrazitfarbenen SUV irgendwo parkend in einer Auffahrt zu finden. Also fuhr ich systematisch die Straßen der Umgebung ab, fuhr nach Sanibel, nach Captiva, nach Fort Myers Beach, nach Estero Beach, fuhr in jedes Parkhaus, fuhr langsam über die Parkplätze der Supermärkte. Publix, Walgreens, Walmart, auf jedem Parkplatz gab es mindestens zehn anthrazitfarbene SUVs, aber unser BMW war nicht dabei.
    „Wo bist du?“, fragte mich George, als er mich auf dem Handy anrief.
    „Auf dem Parkplatz von CVS“, sagte ich. „Ich suche unser Auto.“
    „Kannst aufhören zu suchen“, sagte er. „Fahr mal in eine Parklücke, Engelchen.“
    Ich wusste, dass er eine schlechte Nachricht hatte. Ich stellte den Jeep ab.
    „Die Polizei hat das Auto gefunden. Vor der Edison Mall.“
    „Und nun?“, fragte ich. „Was heißt das jetzt?“
    „Das kann alles heißen oder nichts. Es kann heißen, dass sie hier mit jemandem verabredet war. Sie sind zusammen essen gegangen oder ins Kino oder beides und danach ist sie zu ihm ins Auto gestiegen und wir haben die Spur verloren.“
    „Das heißt, dass ich jetzt zu der Edison Mall fahre und jeden verdammten Laden besuche und frage, ob irgendjemand Sandra gesehen hat“, sagte ich.
    „Willst du das nicht der Polizei überlassen?“, fragte er.
    „Du hast gesagt, die suchen sowieso erst morgen, wenn wir eine Vermisstenanzeige aufgeben. Also suche ich heute selbst.“
    „Gut“, sagte George. „Ich helfe dir.“
    „Nein!“ Ich schrie es fast. Das Nein war aus meinem Mund geploppt wie Popcorn aus der Pfanne. Irgendetwas in meinem Bauch sagte mir, dass ich ihn nicht dabei haben wollte.
    „George, bitte, lass mich das alleine machen. Wie wäre es, wenn du inzwischen zur Polizei fährst und denen erklärst, dass das Auto von der Freundin deiner Frau, die hier zu Besuch ist, genommen wurde und dass diese Freundin seit gestern Abend verschwunden ist. Du hast versprochen, dir eine gute Geschichte auszudenken. Also tu du bitte das.“
    „Okay, das ist vernünftig. Ich fahre sofort zum Polizeirevier. Kannst du mir ein Foto von Sandra senden?“, fragte er.
    „Kommt“, sagte ich und schickte ihm die Fotos, die wir gestern zu Hause von ihrem neuen Outfit gemacht hatten.
    „Ich werde eins dieser Fotos auf meine Facebook-Fanseiten setzen, mit einem Aufruf, ob jemand Sandra gesehen hat.“
    „Super Idee“, sagte ich, denn ich wusste, dass er einige Zigtausend Facebook-Fans hatte, die bestimmt gern auch so eine Suchmeldung teilen würden. Wenn George die Vermisstenmeldung alleine aufgab, dann war ich zunächst aus dem Schneider, wenn es darum ging, zu sagen, mit wem Sandra verabredet war. Natürlich würde die Polizei mich befragen, aber dann wäre George längst wieder hinter seinem neuen Roman abgetaucht. Selbstverständlich würde ich der Polizei nicht sagen, aus welchem Grund Sandra mit Ferdi verabredet war. Ich konnte doch schließlich nicht meinen Ehemann belasten.
    Ich raste zur Edison Mall und stellte den Jeep ab. Und dann klapperte ich Geschäft um Geschäft ab, zeigte den Mädels an den Kassen, den Bedienungen in den Restaurants und den Kinoangestellten das Foto von Sandra. Niemand hatte sie gesehen. Als ich ungefähr die Hälfte des Einkaufszentrums hinter mir hatte, hatte ich eine perfide Idee. Ich suchte in meinem Fotoalbum ein Foto, das Sandra mit meinem Mann zeigte.
    Bereits im zweiten Geschäft sagte die

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