Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das 2. Gesicht

Das 2. Gesicht

Titel: Das 2. Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nika Lubitsch
Vom Netzwerk:
irgendwann sein kleines … ähm … Hobby, beichten würde. Er hasste alles Männliche. Du hättest ihn mal hören sollen, wenn er so richtig in Fahrt war. Wenn er auf diese hirnamputierten Testosteron-Schleudern schimpfte, auf die Rednecks und Sixpacks, auf die Pick-up-Fahrer, auf die Angler und auf die Footballspieler und auf alles, was er bereits als kleiner Junge als Bedrohung angesehen hatte. Du warst für ihn perfekt, Julia Schlegel, das habe ich gleich gesehen. Du warst die Freundin an seiner Seite, die Frau, für die er sorgen wollte, die er lieben wollte, eine, die ihn nicht wegen seiner Muskeln oder seines knackigen Arsches haben wollte, sondern eine, die seine Kunst bewunderte. Was stört es da schon, wenn dein Mann dir das Frühstück im Negligé serviert? Er brauchte das, die Frauenkleider, um schreiben zu können. Wir haben nie darüber gesprochen, aber meine kleinen Kameras zeigten ihn, wie er sich umzieht, wie er plötzlich so ganz anders wird, weicher, wie er es zulässt, dass er an besonders traurigen Stellen in seinen Büchern anfängt zu weinen. Große Indianer weinen nicht, aber Mädchen dürfen das.“
    „George! Lieber Gott, und ich habe ihn erschossen, weil ich dachte, dass er der Killer sei, weil ich Angst hatte, dass er mich umbringen wollte. Dabei wollte er mich nur warnen. Und seine größte Sünde war, ab und zu in Frauenkleidern herumzulaufen. Wie furchtbar, armer, lieber George.“ Mir liefen die Tränen herunter. Ich wischte sie mir mit dem von Georges Blut befleckten T-Shirt ab und fragte, um Zeit zu gewinnen: „Wie hat er dich gefunden?“ Meine Gedanken rasten. Ich war eine Mörderin, ich hatte meinen eigenen Ehemann getötet, weil ich geglaubt habe, er sei ein Serienmörder. Warum hatte ich nicht meinem Instinkt vertraut, der mir in der ersten Sekunde gesagt hatte, dass dieser Mann mein Schicksal war, mit dem ich überall hingehen würde, sogar barfuß durch die Hölle.
    J.R. schnalzte mit der Zunge. Ich dachte an das Gefühl, das ich gehabt hatte, damals in diesem gemieteten Mercedes-Schiff, als ich neben George am Steuer saß und wusste, jetzt ist alles gut, ich bin bei ihm. Dieser Mann wird immer auf mich aufpassen. Wie mich diese Ruhe überkam, diese ruhige Gewissheit, dass er der Richtige ist. Und jetzt?
    Lass J.R. reden, Julia!
    „Irgendwann stand er vor meiner Tür. Er fragte nach meinem Namen. Und dann sagte er, er sei mein Bruder.“
    „Hat er dir den Job als Manager angeboten?“, fragte ich.
    „Nicht gleich, er war ja damals noch nicht berühmt. Er war noch auf der Uni und schrieb Gedichte und Kurzgeschichten. Gedichte, ein Mann, der Gedichte schreibt!“
    „Wie hat er denn darauf reagiert, als du ihm die Geschichte seiner Eltern erzählt hast? Ich nehme an, das blutige Ende hast du verschwiegen?“
    „Er war total entsetzt, seine Mutter eine Hure, sein Vater ein Serienkiller. Noch dazu einer, der ihn selbst fast umgebracht hätte. Ich glaube, er hat sich gefragt, ob dieses Blut, das in seinen Adern fließt, ihn auch irgendwie kriminell sein lassen würde. Und dann fing er an, Kriminalromane zu schreiben. Du siehst, kriminelle Energie zahlt sich aus.“
    „Hattet ihr danach regelmäßigen Kontakt?“, fragte ich.
    „Nein, am Anfang nicht, er hat mir, nachdem er das erste Buch mit einem relativ guten Vorschuss verkauft hatte, ein bisschen Geld geschickt. Ich war damals bei einer Security-Firma angestellt, war zuständig für die Buchhaltung. Und Buchhaltung war genau das, was mein lieber Bruder so gar nicht mochte. Deshalb hat er mich irgendwann gefragt, ob ich seine Finanzen managen möchte. Ich glaube, er hatte ein schlechtes Gewissen mir gegenüber, weil ich unsere Alte aushalten musste, während er in einer gemütlichen, heilen Familie aufwachsen durfte.
    Später kamen dann die Investitionen dazu, wir haben zusammen die Security-Firma gekauft, in der ich gearbeitet hatte, und noch etliche andere Firmen. Dein liebender Gatte ist ein sehr wohlhabender Mann geworden, nicht nur durch seine Schreiberei, sondern auch durch meine Investitionen. Wir besitzen etliche Shopping Malls und einige Häuser.“
    „Deshalb kannst du also überall Überwachungskameras installieren“, sagte ich bitter.
    „Installieren und auch außer Gefecht setzen“, sagte er grinsend und langte in die Hosentasche. „Ich habe da so einen netten kleinen Apparat, der jede Kamera innerhalb von Sekunden außer Gefecht setzt.“
    Aber eins musste ich jetzt doch wissen. „Wo ist Georges

Weitere Kostenlose Bücher