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Das 3. Buch Des Blutes - 3

Das 3. Buch Des Blutes - 3

Titel: Das 3. Buch Des Blutes - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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auf Gavin zu, und er konnte das Geflatter in seiner Brusthöhle deutlicher erkennen, die unruhig zitternden, zusammenhanglosen Formen, die dort statt des Herzens pilzförmig wucherten. Seufzend sank es, in durchnäßter Kleidung, bäuchlings aufs Bett und schloß die Augen.
    »Wir heilen«, sagte es. »Gib uns nur Zeit.«
    Gavin ging zur Wohnungstür und verriegelte sie. Dann schleppte er einen Tisch heran und klemmte ihn unter die Klinke. Niemand könnte hereinkommen und es im Schlaf angreifen; hier waren sie beide in Sicherheit, er und es, er und sein Selbst. Nachdem die Festung abges chottet war, kochte er Kaffee, setzte sich in den Sessel an der dem Bett gegenüberliegenden Zimmerseite und sah dem Geschöpf beim Schlafen zu.
    Heftig schlug der Regen eine Stunde lang ans Fenster, sacht in der nächsten. Der Wind warf durchnäßte Blätter g egen die Scheibe, wo sie wie wißbegierige Nachtfalter haftenblieben.
    Manchmal, wenn er seiner Selbstbetrachtung überdrüssig wurde, betrachtete er sie, aber bald schon kehrte dann die Schaulust zurück, und er wandte wieder den Blick, um die lässige Schönheit seines ausgestreckten Arms zu bewundern, oder das Licht, das gelegentlich das Handgelenk aufschimmern ließ, oder die Wimpern. Gegen Mitternacht schlief er in dem Sessel ein, das Geräusch eines draußen auf der Straße klagenden Rettungswagens und des wie der stärker einsetzenden Regens noch in den Ohren.
    Es war nicht bequem in dem Sessel, und alle paar Minuten tauchte er, mit spaltbreit sich öffnenden Augen, aus dem Schlaf empor. Das Geschöpf war auf: Es stand beim Fenster, jetzt vor dem Spiegel, jetzt in der Küche. Wasser lief - er träumte Wasser. Das Geschöpf zog sich aus - er träumte Sex. Es stand über ihn gebeugt, der Brustkorb war wieder heil, und seine Gegenwart beruhigte ihn - er träumte, nur einen Augenblick lang, wie er aus einer Straße empor- und durch ein Fenster in den Himmel gehoben wurde. Es zog seine Kleider an - im Schlaf murmelte er seine Zustimmung zu dem Diebstahl. Es pfiff - und der Tag drohte durchs Fenster, aber er war zu schläfrig, um sich gerade jetzt aufzurappeln, und durchaus zufrieden, daß der pfeifende junge Mann in seinen Kleidern ihm das Leben abnahm.
    Schließlich beugte es sich über den Sessel und küßte ihn auf den Mund, ein Bruderkuß, und ging. Er hörte, wie sich die Tür hinter ihm schloß.
    Danach kamen Tage, er war sich nicht sicher, wie viele, die er in dem Zimmer verbrachte, mit nichts als Wassertrinken. Sein Durst war unstillbar geworden. Trinken und Schlafen, Zwillingstrabanten.
    Das Bett, in dem er schlief, war dort, wo das Geschöpf gelegen hatte, anfangs noch feucht, doch er verspürte kein Bedürfnis, die Laken zu wechseln. Im Gegenteil, er genoß das klamme Leinen, das sein Körper nur zu bald trocknete. Danach badete er selber in dem Wasser, in dem das Wesen gelegen hatte, und kehrte tropfnaß ins Bett zurück, seine Haut kribbelte vor Kälte, und Modergeruch lag ringsumher. Später, er war schon zu gleichgültig geworden, um sich noch aus dem Bett herauszubewegen, ließ er seiner Blase freien Lauf, und dieses Wasser
    .wurde erst einmal kalt, ehe er es dann mit seiner schwindenden Körperwärme trocknete.
    Aber aus irgendeinem Grund konnte er - trotz des eisigen Zimmers, seiner Nacktheit, seines Hungers - nicht sterben.
    Am sechsten oder siebten Tag stand er mitten in der Nacht auf und setzte sich auf die Bettkante, um herauszufinden, was an seinem Entschluß falsch war. Als er zu keiner Lösung kam, begann er im Zimmer herumzuschlurfen, fast so wie das Geschöpf eine Woche zuvor, blieb vor dem Spiegel stehen, um seinen bemitleidenswert veränderten Körper zu mustern, sah dem Schnee zu, wie er herunterschwebte und auf dem Fensterblech schmolz.
    Schließlich, und zufällig, fand er ein Bild von seinen Eltern, und er erinnerte sich, daß die Kreatur es angestarrt hatte. Oder hatte er das geträumt? Er glaubte nein; er war entschieden der Ansicht, daß sie das Bild in die Hand genommen und betrachtet hatte.
    Aber ja, das war das Hindernis für seinen Selbstmord.: dieses Bild. Es waren noch Reverenzen zu erweisen. Wie konnte er vorher zu sterben hoffen?
    Nur mit Hose und T-Shirt bekleidet, marschierte er durch den Matsch zum Friedhof. Die Bemerkungen von Frauen mittleren Alters und Schulkindern stießen auf taube Ohren. Wen außer ihn ging das etwas an, wenn er sich mit Barfußlaufen den Tod holte? Der Regen kam und ging, machte hin und wieder Anstalten,

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