Das 3. Buch Des Blutes - 3
hab’ dir nichts zu sagen.«
»Sie schulden mir eine Erklärung, Herrgott noch mal. Wenn Sie diese bekackte Tür nicht aufmachen, hol’ ich jemand anders dafür.«
Eine leere Drohung, aber Reynolds erwiderte: »Nein! Warte.
Warte.«
Dann das Geräusch eines Schlüssels im Schloß, und die Tür wurde eine armselige Handbreit geöffnet. Hinter dem schorfbedeckten Gesicht, das zu Gavin hinauslugte, lag die Wohnung im Dunkeln. Natürlich war es Reynolds, eindeutig, aber unrasiert und elend. Er roch ungewaschen, selbst durch den Türspalt, und er hatte nur ein fleckiges Hemd und eine alte Hose an, die von einem verknoteten Gürtel gehalten wurde.
»Ich kann dir nicht helfen. Verschwinde.«
»Seien Sie so gut, und lassen Sie mich erklären …« Gavin drückte gegen die Tür, und Reynolds war entweder zu schwach oder zu benebelt, um ihn davon abzuhalten, sie zu öffnen. Er wich taumelnd in den verdunkelten Flur zurück. »Verdammte Scheiße, was geht hier vor?«
Die Wohnung stank nach verdorbenem Essen. Ekelerregende Fäulnis schwängerte die Luft. Reynolds ließ Gavin die Tür hinter sich zuwerfen, ehe er aus der Tasche seiner fleckigen Hose ein Messer hervorzog. »Mich kannst du nicht für dumm verkaufen«, funkelte Reynolds, »ich weiß, was du getan hast.
Sehr hübsch. Sehr gerissen.«
»Sie meinen die Morde? Das war ich nicht.«
Reynolds stieß mit dem Messer nach Gavin. »Wie viele Blutbäder waren dazu nötig?« fragte er, Tränen in seinen Augen.
»Sechs? Zehn?«
»Ich hab’ niemand umgebracht.«
»… Ungeheuer.«
Das Messer in Reynolds Hand war das Papiermesser, das Gavin selber geschwungen hatte. Er rückte Gavin damit auf den Leib.
Es gab keinen Zweifel: Er war fest entschlossen, es zu benutzen. Gavin zuckte zusammen, und Reynolds schöpfte anscheinend Hoffnung aus seiner Angst.
»Hattest wohl vergessen, wie das war, in Fleisch und Blut zu existieren?«
Der Mann hatte nicht mehr alle Tassen im Schrank. »Hören Sie … ich bin bloß gekommen, um mit Ihnen zu reden.«
»Du bist gekommen, um mich umzubringen. Ich könnte dich verraten … also bist du gekommen, um mich umzubringen.«
»Wissen Sie, wer ich bin?« fragte Gavin.
Reynolds grinste höhnisch. »Du bist nicht der schwule Junge.
Du siehst aus wie er, aber du bist es nicht.«
»Um Himmels willen … Ich bin Gavin … Gavin …« Die alles erklärenden, das Messer an jedem weiteren Vordringen hindernden Worte stellten sich nicht ein. »Gavin, erinnern Sie sich?« war alles, was er herausbrachte.
Reynolds schwankte einen Moment, starrte Gavin ins Gesicht.
»Du schwitzt«, sagte er. Das gefährliche Glitzern wich aus seinen Augen.
Gavins Mund war so trocken geworden, daß er nur nicken konnte.
»Ich seh’ es deutlich«, sagte Reynolds, »du schwitzt.« Er senkte die Messerspitze. »Es konnte nie schwitzen«, sagte er. »Es hatte nie, hätte nie den Bogen raus, wie man das macht. Du bist der Junge … nicht es. Der Junge.« Das Gesicht erschlaffte, sein Fleisch ein Sack, der fast geleert war.
»Ich brauche dringend Hilfe«, sagte Gavin. »Sie müssen mir erzählen, was los ist.«
»Eine Erklärung wollen Sie?« entgegnete Reynolds. »Was Sie finden, können Sie haben.«
Er ging voran in das große Zimmer. Die Vorhänge waren zugezogen, aber selbst in dem schummrigen Dunkel konnte Gavin erkennen, daß jedes Stück der Antikensammlung bis zur Irreparabilität zertrümmert worden war. Die Keramikscherben waren zu kleineren Scherben verwandelt worden, und diese zu Staub. Die steinernen Reliefs waren zerstört, der Grabstein von Flavius, dem Standartenträger, war nur noch Schutt.
»Wer war das?«
»Ich«, sagte Reynolds.
»Wes halb?«
Schwerfällig bahnte sich Reynolds seinen Weg durch die Zerstörung zum Fenster und spähte durch einen Schlitz in den Samtvorhängen.
»Es kommt zurück, verstehen Sie«, sagte er und ignorierte die Frage.
Gavin blieb beharrlich: »Warum das alles zerstören?«
»Es ist eine Krankheit«, antwortete Reynolds. »Unbedingt in der Vergangenheit leben zu wollen.« Er drehte sich vom Fenster weg. »Die meisten dieser Stücke hab’ ich gestohlen«, sagte er, »über einen Zeitraum von vielen Jahren. Man hat mir eine Vertrauensstellung gegeben, und ich habe sie miß braucht. « Er stieß mit dem Fuß einen beträchtlichen Schuttbrocken um; Staub flog auf. »Flavius lebte, und Flavius starb.
Mehr gibt’s da nicht zu erzählen. Seinen Namen zu kennen bedeutet gar nichts, oder so gut wie nichts. Das
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