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Das 3. Buch Des Blutes - 3

Das 3. Buch Des Blutes - 3

Titel: Das 3. Buch Des Blutes - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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macht den wahren Flavius nicht wieder lebendig. Er ist tot und glücklich.«
    »Die Statue in der Wanne?«
    Reynolds hielt einen Moment lang den Atem an, sein geistiges Auge begegnete dem gemalten Gesicht.
    »Sie haben geglaubt, ich sei sie, nicht? Als ich vor Ihrer Tür stand.«
    »Ja. Ich glaubte, sie sei mit ihrer Arbeit fertig.«
    »Mit der Nachahmung.«
    Reynolds nickte. »Soweit ich ihr Wesen begreife, ja«, sagte er,
    »mit der Nachahmung.«
    »Wo haben Sie sie gefunden?«
    »In der Nähe von Carlisle. Ich hab’ dort die Ausgrabungen geleitet. Wir fanden sie im Badehaus; eine zu einem Ball zusammengekrümmte Statue, die neben den Überresten eines erwachsenen Mannes lag. Es war ein Rätsel. Ein Toter und eine Statue, beieinanderliegend in einem öffentlichen Bad. Fragen Sie mich nicht, was mich zu dem Ding hinzog, ich weiß es nicht. Vielleicht durchdringt es mit seinem Willen das Bewußtsein genausogut wie die Körperstruktur. Ich hab’ sie gestohlen und sie hierher zurückgebracht.«
    »Und Sie haben sie gefüttert?«
    Reynolds erstarrte. »Fragen Sie nicht.«
    »Doch, das tu’ ich. Sie haben sie gefüttert?«
    »Ja.«
    »Sie hatten vor, mich auszubluten, nicht? Deshalb haben Sie mich hierhergebracht: Mich wollten Sie abschlachten, damit sie sich waschen kann …«
    Gavin erinnerte sich an das Faustgetrommel der Kreatur gegen die Wannenwand, diese aufgebrachte Forderung nach Nahrung, wie ein Kind, das gegen sein Gitterbett schlägt. Er war nah daran gewesen, von ihr gerissen zu werden, wie ein Lamm.
    »Warum hat sie mich nicht angegriffen, so wie Sie? Warum ist sie nicht einfach aus der Wanne gesprungen und hat mich ausgesaugt?«
    Reynolds wischte sich mit der Handfläche über den Mund. »Sie hat natürlich Ihr Gesicht gesehen.«
    Natürlich: Sie hat mein Gesicht gesehen und wollte es für sich selbst, und da sie schlecht das Gesicht eines Toten stehlen konnte, hat sie mich in Ruhe gelassen. Die logische Erklärung für ihr Verhalten war faszinierend, jetzt da sie enthüllt war: Gavin kostete einen Vorgeschmack auf Reynolds’ Leidenschaft
    - das Entschleiern von Geheimnissen.
    »Der Mann in dem Badehaus. Den Sie freigelegt haben …«
    »Ja …?«
    »Er hat sie davon abgehalten, dasselbe mit ihm zu machen, stimmt’s?«
    »Wahrscheinlich wurde deswegen seine Leiche nie weggeschafft, sondern lediglich eingemauert. Keiner hat begriffen, daß er im Kampf gegen ein Geschöpf gestorben ist, das dabei war, ihm sein Leben zu stehlen.«
    Das Bild war fast bis aufs I-Tüpfelchen komplett; bloß die Wut drängte noch auf eine Antwort.
    Dieser Mann war drauf und dran gewesen, ihn zu ermorden, um die Skulptur zu füttern. Gavin gab seinem rasenden Zorn nach. Er packte Reynolds an Hemd und Haut und beutelte ihn.
    Kam das Geklapper von seinen Knochen oder seinen Zähnen?
    »Es hat schon fast mein Ge sicht.« Er starrte Reynolds in die blutunterlaufenen Augen. »Was passiert, wenn es schließlich den Trick aus dem Effeff beherrscht?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Was ist das Schlimmste ? Sag es mir!«
    »Alles reine Vermutungen«, entgegnete Reynolds.
    »Dann vermute!«
    »Wenn es seine Nachahmung in körperlicher Hinsicht perfektioniert hat, da,nn stiehlt es, glaub’ ich, das einzige, das es nicht nachahmen kann: deine Seele.« Reynolds war darüber hinaus, sich vor Gavin zu fürchten. Mild und süß war seine Stimme geworden, als spräche er zu einem zum Tode Verurteilten. Er lächelte sogar.
    »Scheißkerl!« Gavin zerrte Reynolds’ Gesicht noch näher an seines heran. Weißer Speichel besprenkelte die Wange des alten Mannes. »Es kümmert dich nicht! Es ist dir scheißegal, oder?« Er schlug Reynolds voll ins Gesicht, einmal, zweimal, dann wieder und wieder, bis er außer Atem war.
    Der Alte ließ die Schläge in absolutem Schweigen über sich ergehen, reckte sein Gesicht nach jedem Hieb erneut empor, um den nächsten entgegenzunehmen, wischte sic h das Blut aus seinen anschwellenden Augen, nur um neuem Blut Platz zu machen.
    Endlich stockte die brutale Züchtigung.
    Reynolds kniete am Boden und pflückte Zahnstückchen von seiner Zunge. »Das hab’ ich verdient«, murmelte er.
    »Wie kann ich es davon abbrin gen?« fragte Gavin.
    Reynolds schüttelte den Kopf. »Unmöglich«, flüsterte er und zupfte an Gavins Hand. »Bitte«, sagte er und nahm die Faust, öffnete sie und küßte die Handlinien.
    Gavin ließ Reynolds in den Ruinen Roms zurück und ging hinaus auf d ie Straße. Aus der Unterredung mit Reynolds

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