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Das 3. Buch Des Blutes - 3

Das 3. Buch Des Blutes - 3

Titel: Das 3. Buch Des Blutes - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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war es her, seit er Reynolds den Ruinen überlassen hatte, und während dieser Zeit hatte er sich aus seiner neuen Bleibe (ein winziges Schlafzimmer, Küche, Bad) nur dreimal hinausgewagt. Schlaf war jetzt wichtiger als Essen oder körperliche Bewegung. Er hatte genug Stoff, um sich bei Laune zu halten, wenn er keinen Schlaf fand, was selten vorkam, und er hatte die abgestandene Luft liebgewonnen, das durch das vorhanglose Fenster hereinflutende Licht, die Ahnung einer anderswo existierenden Welt, an der er nicht teilhatte, in der er keinen Platz einnahm.
    Heute hatte er sich vorgenommen, aus dem Haus zu gehen und etwas frische Luft zu schnappen, war aber außerstande gewe sen, sich dazu aufzuraffen. Später vielleicht, viel später, wenn sich die Bars leerten und niemand ihn bemerkte, würde er dann aus seinem Kokon schlüpfen und sich ansehen, was es zu sehen gab. Momentan blieb er lieber bei seinen Träumen …
    Wasser.
    Er hatte von Wasser geträumt, wie er neben einem Pool in Fort Lauderdale saß, einem Pool voller Fische. Und das Plitsch-Platsch ihres Herausschnellens und Wiedereintauchens dauerte an, floß aus dem Schlaf ins Wachen hinüber. Oder war es eher umgekehrt? Ja, er hatte im Schlaf Wasser laufen hören, und sein Traumbewußtsein hatte zur Begleitung des Geräuschs eine Illustration fabriziert. Jetzt, im Wachzustand, dauerte das Geräusch an.
    Es kam aus dem angrenzenden Bad, kein Laufen mehr, sondern ein Plätschern. Jemand war offensichtlich eingebrochen, während er schlief, und nahm jetzt ein Bad. Rasch ging er die kurze Liste möglicher Eindringlinge durch, der wenigen, die von seinem Hiersein wußten. Da war Paul, ein angehender Stricher, der vorgestern bei ihm auf dem Fußboden übernachtet hatte; da war Chink, der Dealer; und ein Mädchen aus dem unteren Stock, das, wie er glaubte, Michelle hieß. Wem wollte er hier was vormachen ? Keine dieser Personen hätte das Schloß an der Tür aufgebrochen, um hereinzukommen. Er wußte sehr gut, wer es sein mußte. Er spielte nur ein Spielchen mit sich selbst, genoß es, eine Möglichkeit nach der ändern zu eliminieren, bis nur mehr eine einzige übrigblieb.
    Versessen auf Wiedervereinigung, schlüpfte er aus seinem Laken- und Steppdeckenfutteral. Sein Körper wurde zu einer Gänsehautsäule, als ihn die kalte Luft umschloß, seine Morgenerektion zog ihren Kopf ein. Als er zur Zimmertür ging, an deren Innenseite sein Morgenrock hing, erblickte er sich flüchtig selbst im Spiegel, ein Standfoto aus einem Horrorfilm, ein schmächtiges Männchen, vor Kälte geschrumpft und von Re genwasserlicht beleuchtet. Sein Spiegelbild flackerte fast, so unwirklich kam er sich vor.
    Er wickelte sich in den Morgenrock, sein einziges neu gekauftes Kleidungsstück, und ging dabei zur Badtür. Wassergeräusche hörte er jetzt keine mehr. Er stieß die Tür auf.
    Das wellig aufgeworfene Linoleum war eisig unter seinen Füßen; er wollte eigentlich nur seinen Freund begrüßen und dann wieder ins Bett kriechen. Aber dem, was von seiner zerfledderten Neugier noch übrig war, schuldete er mehr als das: Er hatte einige Fragen.
    Das durch die Mattglasscheibe einfallende Licht hatte sich in den drei Minuten, die er jetzt wach war, rapide verschlechtert; der Anbrach der Nacht und heftiger Regen verdichteten zusehends die Düsternis. Die Wanne vor ihm war fast bis zum Überlaufen voll, das Wasser ruhig wie unter einem ölteppich und dunkel. Wie beim erstenmal ragte nichts über die Oberfläche. Es lag auf dem Grund, verborgen.
    Wie lange war es her, daß er sich einer lindgrünen Wanne in einem lindgrünen Bad genähert und in das Wasser gespäht hatte? Es hätte gestern sein können, sein Leben zwischen damals und jetzt war zu einer einzigen langen Nacht geworden.
    Er schaute hinunter. Es war da, in seitlicher Hockstellung zusammengekrümmt wie beim erstenmal, und schlief, noch vollständig bekleidet, als hätte es keine Zeit gehabt, sich auszuziehen, bevor es sich versteckte. Wo es kahl gewesen war, sproß jetzt üppiges Haupthaar, und seine Gesichtszüge waren vollendet. Nicht die Spur eines gemalten Gesichts war übrig. Es hatte eine plastische Schönheit, die, bis zum letzten Muttermal, absolut seine eigene war. Seine makellos durchgestalteten Hände waren über der Brust gekreuzt.
    Die Nacht rückte weiter vor. Gavin hatte nichts zu tun, als dem Geschöpf beim Schlafen zuzusehen, und das wurde allmählich langweilig. Es hatte ihn hier aufgespürt und würde bestimmt nicht

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