Das 3. Buch Des Blutes - 3
durchquerte die Diele und nahm den Telefonhörer ab. Die Polizei, sagte er und begann zu wählen. Wie lang wohl, bis es zwei und zwei zusammenzählte, die Tür endlich Tür sein ließ und zu den Fenstern überging? Sie waren verbleit, aber das würde es nicht lange abhalten. Ihm blieben höchstens ein paar Minuten, wahrscheinlich nur Sekunden, je nach dem Denkvermögen der Bestie.
Sein von Rohkopfs Zugriff befreites Bewußtsein durchwisperte ein Chor bruchstückhafter Gebete und Forderungen. Wenn ich sterbe - bei diesem Gedanken ertappte er sich —, wird man’s mir dann im Himmel lohnen, daß ich grausamer sterbe, als es sich jeder Landpfarrer billigerweise erwarten darf? Gibt es im Paradies eine Entschädigung dafür, daß man in der Diele seines eigenen Pfarrhauses ausgeweidet wird?
Im Polizeirevier hatte nur mehr ein einziger Officer Dienst; alle ändern waren droben auf der Nordstraße und räumten die Überreste von Gissings Party auf. Leider wurde der Arme kaum schlau aus Reverend Coots flehenden Bitten, aber an dem Geräusch zersplitternden Holzes, das das Gebrabbel begleitete, war nichts zu deuteln und an dem Geheul im Hintergrund ebensowenig.
Der Officer legte auf und funkte um Hilfe. Die Streife auf der Nordstraße brauchte zwanzig, vielleicht fünfundzwanzig Sekunden für die Antwort. Währenddessen hatte Rohkopf die mittlere Kassette der Pfarrhaustür zertrümmert und war jetzt dabei, den Rest einzureißen. Nicht daß die Streife das wußte.
Nach den Anblicken, denen sie sich hier oben ausgesetzt hatten
- dem verkohlten Körper des Chauffeurs, Gissings fehlender Männlichkeit -, waren sie vor Erfahrung überheblich geworden wie stundenalte Kriegsveteranen. Der Officer im Revier brauchte eine gute Minute, um sie von der Dringlichkeit in Coots Stimme zu überzeugen. Währenddessen hatte Rohkopf sich Zugang verschafft.
Im Hotel sah Ron Milton der Parade der Lichter zu, die auf der Anhöhe blinkten, hörte die Sirenen und Rohkopfs Geheul und wurde von Zweifeln bedrängt. War das wirklich das stille ländliche Dorf, in dem er sich samt Familie häuslich niederlassen wollte? Er sah hinunter zu Maggie, die von dem Lärm aufgewacht, inzwischen aber wieder eingeschlafen war; das Schlaftablettenröhrchen auf der Bettkonsole war fast leer.
Irgendwie empfand er sich, obwohl sie ihn deswegen ausgelacht hätte, als ihren Beschützer: Er wollte ihr Held sein. Sie war es jedoch, die die Abendkurse in Selbstverteidigung besuchte, während er dank Spesenkonto-Mahlzeiten Übergewicht ansetzte. Es machte ihn unerklärlich traurig, ihr beim Schlafen zuzusehen und dabei zu wissen, daß er so wenig Macht hatte über Leben und Tod.
Rohkopf stand in der Diele des Pfarrhauses in einem Konfettiregen aus zersplittertem Holz. Sein Rumpf war mit nadelfeinen Splittern gespickt, und aus Dutzenden winziger Wunden rann Blut über seine sich hebende und senkende Körpermasse hinunter. Der saure Schweißgeruch breitete sich im Flur aus wie Weihrauch.
Er durchschnupperte die Luft nach dem Mann, aber der war nirgendwo in der Nähe. Frustriert fletschte Rohkopf die Zähne, stieß dabei die Luft in einem dünnen Pfeifton aus der Tiefe seiner Kehle aus und ging mit federnden Schritten den Flur entlang zum Arbeitszimmer. Dort war es warm, das konnten seine Nerven auf zwanzig Meter Entfernung spüren, und dort war es auch gemütlich. Er kippte den Schreibtisch um und zertrümmerte zwei von den Stühlen, teils um sich selber Platz zu schaffen, größtenteils aber aus reiner Zerstörungswut, stieß dann das Kaminschutzblech beiseite und setzte sich hin. Wärme umgab ihn, heilende, lebendige Wärme. Schwelgerisch genoß er die Empfindung, wie sie sein Gesicht umfing, seinen mageren Bauch, seine Glieder. Auch sein Blut erhitzte sie und rüttelte so die Erinnerung an andere Feuer wach, Feuer, die er in Feldern sprießenden Weizens entzündet hatte.
Und er rief sich noch ein anderes Feuer ins Gedächtnis, vor dessen Erinnerung sein Bewußtsein sich zu drücken und davonzulaufen versuchte, aber er konnte nicht umhin, darüber nachzudenken. Die Erniedrigung jener Nacht würde ihm ewig gegenwärtig sein. So sorgfältig hatten sie sich die Jahreszeit ausgesucht: Hochsommer, und kein Regen seit zwei Monaten.
Gestrüpp und Reisig im Wilden Holz waren zundertrocken, selbst der lebende Baum fing mühelos Feuer. Er war aus seiner Festung gescheucht worden, tränenblind, v erstört und verängstigt, um sich dann von allen Seiten bedroht zu sehen, mit
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