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Das 3. Buch Des Blutes - 3

Das 3. Buch Des Blutes - 3

Titel: Das 3. Buch Des Blutes - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Brüllen wurde zum Geheul. Gift und Pein vermischten sich zu einem ohrenbetäubenden Lärm, den man vom einen Ende Zeals bis zum ändern vernahm.
    Bis hin zur Nordstraße, wo gerade die Überreste von Gissing und seinem Fahrer zusammengekratzt und in Plastikfolien verpackt wurden, schändete er die Nacht. Mehrstimmig hallte er wider an den eisigen Wänden der Leichenkapelle, wo Denny und Gwen Nicholson bereits in Verwesung übergingen. Auch in Zeals Schlafzimmern hörte man ihn, wo lebende Paare Seite an Seite lagen, vielleicht mit fühllos gewordenem Arm unter dem Körper des ändern; wo die Alten wach lagen und die Geographie der Zimmerdecke studierten; wo Kinder vom Mutterschoß träumten und Babys ihm nachtrauerten. Immer wieder und wieder hörte man ihn, Rohkopfs rasenden Kampf mit der Tür.
    Coot wurde es schwindlig von dem Geheul. Sein Mund stammelte Gebete, aber der so dringend benötigte himmlische Beistand wollte sich augenscheinlich nicht einstellen. Er spürte, wie seine Kraft versiegte. Der Riese erhielt immer mehr Zutritt, drückte die Tür Zentimeter um Zentimeter auf. Coots Füße rutschten auf dem zu gut gebohnerten Boden, flatternd versagten seine Muskeln den Dienst. Bei diesem Wettstreit gab es für ihn keine Siegeschance, nicht wenn er versuchte, seine Stärke, Sehne um Sehne, gegen die der Bestie auszuspielen.
    Wenn er den nächsten Morgen noch erleben wollte, dann brauchte er eine List.
    Coot drückter fester gegen das Holz, während seine Augen wieselflink die Diele nach einer Waffe absuchten. Es durfte nicht hereingelangen, es durfte keine Gewalt haben über ihn.
    Ein bitterer Geruch war in seinen Nasenlöchern. Einen Moment lang sah er sich selber nackt vor dem Riesen knien, sah dessen Pisse auf seinen Schädel niederprasseln. Und gleich darauf wurde die Szene abgelöst von einem Hagel weiterer verwerflicher Bilder. Mehr konnte er nicht tun, um zu verhindern, daß es eindrang, die Obszönitäten sich auf Dauer in ihm festsetzten. Das Bestienbewußtsein arbeitete sich in das seine hinein; ein dicker Keil aus schweinischem Unrat pflügte sich durch seine Erinnerungen voran und lockte vergrabene Gedanken an die Oberfläche. Es würde doch sicher- wie jeder andere Gott auch - angebetet werden wollen. Und seine Gebote waren bestimmt unmißverständlich und handfest, oder? Nicht vieldeutig wie die des Herrn, dem er bis jetzt gedient hatte. Eine angenehme Vorstellung: sich dieser Gewißheit hinzugeben, die auf die andere Seite der Tür einschlug, und offen vor ihr dazuliegen und sich von ihr verwüsten zu lassen.
    Rohkopf. Rhythmisch pulsierte der Name in seinem Ohr. Roh.
    Kopf.
    Verzweifelt, wohl wissend, daß seinen zerbrechlichen geistigen Abwehrkräften der unmittelbare Zusammenbruch drohte, entdeckte er zufällig den Kleiderständer links von der Tür.
    Roh. Kopf. Roh. Kopf. Der Name war ein Befehl. Roh. Kopf.
    Roh. Kopf. Er beschwor einen enthäuteten Kopf herauf, ohne eine schützende Schale, ein Ding kurz vorm Zerspringen, ohne einen Hinweis, ob aus Schmerz oder Lust. Aber leicht herauszufinden …
    Es hatte sich seiner schon beinah bemächtigt, das wußte er.
    Jetzt oder nie. Er hielt die Tür nur mehr mit einem Arm und streckte den anderen in Richtung Garderobe nach einem Spazierstock aus. Einer war darunter, auf den er es besonders abgesehen hatte. Er nannte ihn Querfeldein-Stock, ein Meter fünfunddreißig nacktes Eschenholz, häufig in Gebrauch und unverwüstlich. Seine Finger schmeichelten ihn herbei.
    Rohkopf hatte den Mangel an Druck hinter der Tür ausgenutzt. Sein ledriger Arm arbeitete sich herein, unbeirrt von der Heftigkeit, mit der ihm der Türpfosten in die Haut schnitt. Die Hand, mit Fingern stark wie Stahl, hatte Coot an den Falten seiner Jacke erwischt.
    Coot hob den Eschenstock und ließ ihn auf Rohkopfs Ellbogen niedersausen, dort, wo der Knochen verletzbar nah an der Oberfläche lag. Die Waffe zersplitterte beim Aufprall, aber sie erfüllte ihren Zweck. Auf der anderen Seite der Tür begann das Geheul von neuem, und rasch wurde Rohkopfs Arm zurückgezogen. Kaum waren die Finger hinausgeglitten, schlug Coot die Tür zu und verriegelte sie. Ein kurzes Stocken, nur Sekunden; und schon begann der Angriff von neuem, diesmal als d oppelfäustiges Gehämmer an der Tür. Die Angeln begannen sich zu verziehen, das Holz ächzte. Nur kurze Zeit würde es dauern, sehr kurze Zeit, bis es sich Zugang verschafft hätte. Es war stark, und jetzt tobte es auch noch vor Wut.
    Coot

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