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Das 3. Buch Des Blutes - 3

Das 3. Buch Des Blutes - 3

Titel: Das 3. Buch Des Blutes - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Trost.
    Rohkopf umkrallte noch immer Coots Hals und hielt ihn am ausgestreckten Arm hoch. Die Reverendbeine baumelten drei Handbreit über dem Boden, der Kopf kippte wie ausgerenkt hintenüber, die Augen waren geschlossen. Das Ungeheuer präsentierte seinen Feinden den Körper als Machtbeweis.
    »Soll’n wir … bitte … könn’ wir … den Sauhund erschießen?« erkundigte sich einer der Bewaffneten.
    Ivanhoe schluckte, ehe er antwortete. »Da kriegt der Pfarrer was ab.«
    »Der is’ sowieso schon tot«, sagte der Revolverheld.
    »Das kann man nicht wissen.«
    »Er muß tot sein. Schaun Sie’n doch an …«
    Rohkopf schüttelte Coot wie eine Daunendecke, und seine Füllung fiel heraus, sehr zu Ivanhoes heftigem Abscheu. Dann schleuderte Rohkopf Coot beinahe gelangweilt nach der Polizei. Der Körper schlug unweit vom Tor auf dem Kies auf und blieb reglos liegen.
    Ivanhoe fand seine Stimme wieder: »Feuer!«
    Die Bewaffneten brauchten dazu keine Extraeinladung. Ihre Finger drückten den Abzug durch, bevor er den Mund wieder zumachte.
    Rohkopf wurde von drei, vier, fünf Kugeln in rascher Abfolge getroffen, vor allem in die Brust. Er verspürte ein unangenehmes Stechen und nahm den Arm hoch, um sein Gesicht zu schützen; mit der anderen Hand bedeckte er seine Eier. Auf diesen Schmerz war er nicht gefaßt gewesen. Die Wunde, die ihm Nicholsons Gewehr zugefügt hatte, war in der Wonne des bald darauf folgenden Aderlasses schnell vergessen. Aber diese Stachel taten ihm weh, und es kamen immer neue nach. Ein Angstgefühl durchzuckte ihn. Instinktiv wollte er sich gegen diese knallenden, blitzenden Eisenstäbe zur Wehr setzen, aber der Schmerz war zu groß. Statt dessen drehte er sich um und trat den Rückzug an, sprang über die Grabmäler und floh in die Sicherheit der Hügel. Dichte Gehölze kannte er dort, Erdlöcher und Höhlen, wo er sich verstecken könnte und genügend Zeit hätte, dieses neue Problem zu durchdenken. Aber erst mußte er ihnen entwischen.
    Schnell waren sie ihm auf den Fersen, aufgeputscht von der Mühelosigkeit ihres Sieges. Sie überließen es Ivanhoe, auf einem der Gräber eine Vase aufzutreiben, die Chrysanthemen herauszunehmen und sich zu erbrechen.
    Außerhalb der Senke gab es keine Straßenbeleuchtung, und Rohkopf fühlte sich allmählich sicherer. Er konnte aufgehen in der Finsternis, in der Erde, wie er es schon tausendmal gemacht hatte. Er durchquerte ein Feld. Die Gerste stand noch ährenschwer und ungeerntet. Er trampelte sie nieder beim Laufen, schrotete Halm und Korn. Weiter hinter ihm begann sich die Jagd seiner Verfolger bereits zu verheddern. Der Wagen, in den sie sich hineingepfercht hatten, war auf der Straße stehengeblieben; ganz weit hinten konnte er die Lichter erkennen, ein blaues und zwei weiße. Der Feind brüllte einen heillosen Befehlssalat, Worte, die Rohkopf nicht verstand. Egal. Er kannte die Menschen. Sie waren leicht zu erschrecken. Heute nacht würden sie nicht mehr lang nach ihm suchen. Die Dunkelheit würde ihnen zum Vorwand dienen, die Suche abzublasen, und außerdem sagten sie sich bestimmt, daß seine Verwundungen wahrscheinlich sowieso tödlich seien. Diese leichtgläubigen Kinder.
    Er stieg auf den Gipfel des Hügels und schaute ins Tal hinunter.
    Unterhalb der Straßenschlange, deren Augen die Scheinwerfer des Feindautos waren, bildete das Dorf ein Rad aus warmem Licht, mit viel blitzendem Blau und Rot an der Nabe. Jenseits, diesseit s davon, überall die undurchdringliche Schwärze der Hügel, über denen die Sterne in Schleifen und Trauben hingen.
    Am Tag mochte dies alles wie ein Steppdeckental wirken, klein wie eine Spielzeugstadt. Bei Nacht war es unergründlich, mehr seins als ihres.
    Seine Feinde kehrten bereits in ihre Bruchbuden zurück, genau wie er es vorausgesehen hatte. Für heute nacht war die Jagd vorbei.
    Er legte sich auf die Erde und schaute einer Sternschnuppe auf ihrer Sturzbahn nach Südwesten zu: Ein kurzer, greller Streif, der den Rand einer Wolke erhellte und dann ausging. Es war noch lang hin bis zum Morgen, erholsame Stunden lagen vor ihm. Bald wäre er wieder bei Kräften, und dann, dann - würde er sie alle verbrennen.
    Coot war nicht tot - aber dem Tod so nahe, daß es kaum einen Unterschied machte. Achtzig Prozent der Knochen in seinem Körper waren gebrochen oder entzwei, Gesicht und Hals waren ein Labyrinth aus Fleisch wunden, eine Hand war fast bis zur Unkenntlichkeit zerquetscht. Er würde sicher sterben. Es war

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