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Das 3. Buch Des Blutes - 3

Das 3. Buch Des Blutes - 3

Titel: Das 3. Buch Des Blutes - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Augenschein nehmen. Als er den dritten Schritt machte, knirschte ein Kiesel unter seinem Fuß.
    Das Riesenwesen schien sich im Dunkel zu bewegen. Wandte es sich um, ihn anzusehen ? Coot schlug das Herz bis zum Hals.
    Nein, laß es taub sein. Bitte, lieber Gott, mach, daß es mich nicht sieht, mach mich unsichtbar.
    Das Gebet wurde offensichtlich erhört. Nichts an dem Riesen deutete darauf hin, daß er Coots Näherkommen bemerkt hatte.
    Coot faßte Mut und rückte über das Pflaster aus Grabsteinen vor; flitzte, Deckung suchend, von Grabmal zu Grabmal und wagte kaum zu atmen dabei. Er war jetzt allenfalls eineinhalb Meter von dem lebenden Bild entfernt und konnte sehen, auf welche Art der Kopf des Geschöpfs zu Declan heruntergebeugt war. Er konnte das Geräusch hören, das es hinten in seiner Kehle machte: wie Sandpapier auf Stein. Aber die Szene hatte noch mehr zu bieten.
    Declans Meßgewand war zerrissen und verschmutzt, sein schmächtiger Brustkasten entblößt. Das Mondlicht fing sich auf seinem Brustbein, seinen Rippen. Sein Zustand und seine Stellung waren unzweideutig. Dies war schlicht und einfach
    Anbetung. Dann hörte Coot das Plätschern. Er trat näher und sah, daß das Riesenwesen einen glitzernden Strahl seines Harns auf Declans emporgewandtes Gesicht gerichtet hielt.
    Der spritzte ihm platschend in den unzureichend geöffneten Mund, lief ihm über den Rumpf. Keinen Sekundenbruchteil wich der Freudenschimmer aus Declans Augen, während er seine Taufe empfing, ja, in seinem Eifer, völlig besudelt zu werden, drehte er den Kopf von einer Seite zur anderen.
    Der Geruch von der Ausscheidung des Geschöpfs wehte zu Coot herüber. Er war sauer, abscheulich. Wie konnte es Declan ertragen, auch nur einen Tropfen davon abzubekommen, geschweige denn darin zu baden? Coot wollte aufschreien, diesem verwerflichen Geschehen Einhalt gebieten, aber selbst im Schatten der Eibe war die Gestalt des Tiers fürchterlich. Es war zu groß und zu breit, um menschlich zu sein.
    Das war sicher die Bestie aus dem Wilden Holz, die Declan zu beschreiben versucht hatte. Das war der Kinderfresser. Hatte Declan bei seinen euphorischen Lobeshymnen über dieses Monster geahnt, welche Macht es über seine Einbildungskraft haben würde? Hatte er die ganze Zeit über gewußt, daß, falls die Bestie kommen und ihn erschnuppern sollte, er vor ihr auf den Knien liegen, sie seinen Herrn nennen würde (älter als Christus, älter als die Zivilisation, hatte er gesagt), daß er selig lächeln würde, während sie ihre Blase über ihm entleerte?
    Ja. Aber ja.
    Also, soll er seinen großen Augenblick haben. Riskier nicht deinen Hals wegen ihm, dachte Coot, er ist da, wo er sein will.
    Ganz langsam zog er sich in Richtung Pfarrhaus zurück, blickte dabei noch immer unverwandt auf die Entwürdigung vor ihm.
    Die Taufe kam tröpfelnd zum Stillstand, aber Declans auf Brusthöhe zu einer Schale geformte Hände enthielten noch reichlich Flüssigkeit. Declan setzte die Handballen an die Lippen und trank.
    Coot würgte, außerstande, sich zu beherrschen. Einen Moment lang schloß er die Augen, um den Anblick auszublenden, und als er sie wieder öffnete, sah er, daß der dunkle Kopf sich in seine Richtung gewandt hatte und ihn anschaute mit Augen, die in der Schwärze brannten.
    »Allmächtiger Gott.«
    Es sah ihn. Diesmal war er sich sicher, es sah ihn. Es brüllte, und sein Kopf veränderte die Form im Schatten, sein Maul öffnete sich so grausig weit.
    »Du lieber Heiland.«
    Schon stürmte es, seinen Ministranten zusammengesackt unter dem Baum zurücklassend, antilopen-geschmeidig auf ihn los. Coot machte kehrt und lief, lief, wie er seit ewigen Zeiten nicht mehr gelaufen war, übersprang die Gräber auf seiner Flucht. Nur ein paar Meter noch: die Tür, eine Art Sicherheit.
    Nicht lange vielleicht, aber Zeit zu überlegen, eine Waffe aufzutreiben. Lauf, du alter Idiot. Christus das Rennen, Christus der Sieg. Vier Meter.
    Lauf.
    Die Tür war offen.
    Fast geschafft, einen Meter noch …
    Er sprang über die Schwelle und warf sich herum, um seinem Verfolger die Tür vor der Nase zuzuknallen. Aber nein! Rohkopfs Hand war durch den Türspalt geschnellt, eine Hand, dreimal so groß wie die eines Menschen. Sie schnappte nach der leeren Luft, versuchte, Coot zu erwischen, während die Bestie unablässig brüllte.
    Coot schleuderte sich mit seinem vollen Gewicht gegen die Eichentür. Der mit Eisen eingefaßte Türrahmen verbiß sich in Rohkopfs Unterarm. Das

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