Das 3. Buch Des Blutes - 3
beschissene Geschichte, wenn ich sie nicht mit meinen eigenen beschissenen Augen gesehn hätte?«
»Ausdrucksweise«, tadelte ihn Fresco.
»Leichentücher fliegen nicht«, sagte Wall im Brustton verständlicher Überzeugung.
»Wo ist denn dann das Leichentuch, hart?« argumentierte Lenny.
»Du hast es verbrannt, du hast es gefressen, woher soll’n ich das wissen, verdammter Scheiß?«
»Ausdrucksweise«, sagte Lenny ruhig.
Das Telefon läutete, ehe ihm Fresco eine reinhauen konnte.
Der nahm den Hörer ab, sprach kurz und gab ihn an Wall weiter. Dann haute er Lenny eine rein: ein freundlicher Klaps, der ein bißchen Blut hervorlockte.
»Hör zu«, sagte Fresco und atmete in tödlicher Nähe zu Lenny, als wollte er ihm gleich die Luft aus dem Mund saugen, »wir wissen, daß du’s getan hast, kapiert? Du warst der einzige Lebende in der Leichenhalle, kapiert? Wir wollen bloß wissen, warum. Das ist alles. Bloß, warum.«
»Fresco.« Wall hielt die Sprechmuschel zu, solange er mit dem Muskelpaket redete.
»Ja, Sir.«
»Es ist Mr. Maguire.«
»Mr. Maguire?«
»Micky Maguire.«
Freso nickte.
»Er ist ganz durcheinander.«
»Ach wirklich? Wieso’n das?«
»Er glaubt, er ist überfallen worden. Von dem Mann in der Leichenhalle. Dem Pornographen.«
»Glass«, sagte Lenny, »Ronnie Glass.«
»Ronald Glass, wie der Mann behauptet«, sagte Wall und grinste dabei Lenny an.
»Das ist lächerlich«, sagte Fresco.
»Also, ich finde, wir sollten gegenüber einem aufrechten Mitglied der Gesellschaft unsere Pflicht tun. Sie etwa nicht?
Spitzen Sie doch bitte mal in die Leichenhalle runter, nur um sicherzugehn …«
»Um sicherzugehn?«
»Daß der Dreckskerl noch da unten ist.«
»Ah.«
Fresco ging, verwirrt, aber gehorsam.
Lenny kapierte nichts von dem Ganzen. Aber ihm war schon alles piepegal. Was ging ihn das verdammt noch mal an ? Durch ein Loch in seiner linken Hosentasche begann er, mit seinen Eiern zu spielen. Wall sah ihm geringschätzig zu.
»Laß das«, sagte er. »Sobald wir dich mal in ‘ner hübschen, warmen Zelle untergebracht haben, kannst du an dir rumspielen, soviel du Lust hast.«
Lenny schüttelte langsam den Kopf und nahm die Hand aus der Tasche. War einfach nicht sein Tag heute.
Und schon war Fresco von der Halle unten zurück, etwas atemlos.
»Er ist da«, sagte er, sichtlich aufgeheitert angesichts der Einfachheit seiner Aufgabe.
»Natürlich is’ er da«, sagte Wall.
»Steif wie ‘n Ölgötze.«
»Was is’n Ölgötze?« fragte Lenny.
Fresco sah verständnislos drein.
»Redensart«, sagte er gereizt.
Wall vom Yard hing wieder an der Strippe und redete mit Maguire. Der Mann am ändern Ende hörte sich ordentlich verschreckt an, und Walls Versicherungen schienen wenig zu nutzen.
»Er ist hundertprozentig hier, und so, wie er sein soll, Micky.
Du mußt dich geirrt haben.«
Wie eine leichte elektrische Ladung floß Maguires Angst durch die Telefonleitung.
»Ich hab’ ihn gesehen, verdammt noch mal.«
»Also, er liegt da drunten mit einem Loch mitten im Kopf, Micky. Wie, bitte, kannst du ihn dann gesehen haben?«
»Weiß ich nicht«, sagte Maguire.
»Na also …«
»Hör mal-.. schau doch vorbei, wenn’s dir irgendwie ausgeht, ja? Dieselben Bedingungen wie üblich. Ich könnte dir ‘ne feine Arbeit zuschanzen.«
Wall besprach ungern Geschäftliches am Telefon; es machte ihn nervös.
»Später, Micky.«
»Okay. Kommst vorbei?«
»Mach’ ich.«
»Versprochen?«
»Ja.«
Wall legte auf und starrte die Verdachtsperson an. Lenny war wieder mit Taschenbillard zugange. Primitives kleines Tier.
Eine weitere Durchsuchung war eindeutig erforderlich.
»Fresco«, sagte Wall in taubensanftem Ton, »bringen Sie Lenny bitte bei, daß man vor Polizeibeamten nicht an sich selber rumfummelt?«
In seiner Festung in Richmond greinte Maguire wie ein Baby.
Er hatte Glass gesehen, ohne jeden Zweifel. Da konnte Wall noch so sehr glauben, daß der Körper im Leichenschauhaus war, er wußte, daß es sich anders verhielt. Glass war heraußen, putzmunter auf Achse, frei und ungebunden, ungeachtet der Tatsache, daß er dem Dreckskerl ein Loch in den Kopf gepustet hatte.
Maguire war ein gottesfürchtiger Mann, und er glaubte an ein Leben nach dem Tod, obwohl er sich bis jetzt nie ernsthaft die Frage gestellt hatte, wie es dazu kommen sollte. Das war nun die Antwort, dieser nach Äther stinkende, stumpfgesichtige Hurensohn. So also sah’s mit dem jenseitigen Leben aus. Es brachte
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