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Das 3. Buch Des Blutes - 3

Das 3. Buch Des Blutes - 3

Titel: Das 3. Buch Des Blutes - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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sie einen Wutausbruch ihres Vaters. Er sagte nichts, sondern ging geradewegs zurück ins Wohnzimmer.
    Von seinem Sessel aus konnte er sehen, wie Norton mit langen Schritten den Rasen überquerte. Die Hunde gaben jetzt keinen Laut mehr von sich. Norton verschwand hinter dem Gewächshaus. Langes Warten. Maguire fing gerade an, in helle Aufregung zu geraten, als Norton wieder auftauchte, achselzuckend zum Haus und zu Maguire hinaufschaute und dabei redete.
    Maguire entriegelte die Schiebetür, öffnete sie und trat auf den Terrassenvorplatz hinaus. Der Tag kam ihm mild entgegen.
    »Was sagen Sie?« rief er Norton zu.
    »Den Hunden geht’s bestens«, erwiderte Norton.
    Maguire spürte, wie sein Körper sich entspannte. Natürlich waren die Hunde okay; weshalb sollten sie nicht ein bißchen bellen, wozu sonst waren sie da? Er war verdammt nah dran, einen Narren aus sich zu machen, sich die Hosen vollzupissen, bloß weil die Hunde bellten. Er nickte Norton zu und trat vom Terrassenvorplatz auf den Rasen. Schöner Tag, dachte er. Mit schneller werdenden Schritten überquerte er den Rasen Richtung Gewächshaus, wo seine sorgsam gehegten Bonsai-Bäume gediehen. Pflichtbewußt wartete Norton an der Gewächshaustür und durchstöberte seine Taschen nach Pfefferminzbonbons.
    »Brauchen Sie mich hier, Sir?«
    »Nein.«
    »Wirklich nicht?«
    »Wirklich nicht«, sagte er großmütig. »Sie gehn wieder rauf und spielen mit dem Kind.«
    Norton nickte.
    »‘n Hunden geht’s bestens«, sagte er nochmals.
    »Ja, klar.«
    »Muß der Wind gewesen sein, was sie unruhig gemacht hat.«
    Und es ging ein Wind. Warm, aber stark. Unruhig spielte er in der Reihe Blutbuchen, die den Garten einsäumten. Sie schimmerten und zeigten mit der fahleren Unterseite ihrer Blätter zum Himmel. Ihre Bewegung war beruhigend in ihrer Ungezwungenheit und Vornehmheit. Maguire sperrte das Ge wächshaus auf und betrat sein Refugium. Hier in diesem künstlichen Eden befanden sich seine wahren Lieben, aufgepäppelt mit zärtlichem Zureden und Tintenfischdünger. Sein Sargent’s-Wacholderbäumchen, das die Unbilden des Mount Ishizuchi überlebt hatte; seine blühende Quitte, seine Yeddo-Fichte (Picea Jesoensis), der Lieblingszwerg, den er nach mehreren mißlungenen Versuchen dazu abgerichtet hatte, an einem Stein festzuhaften. Alles Schönheiten, alles kleine Wunder von sich windenden Stämmen und kaskadenartig fallenden Nadeln oder Blättern, seiner innigsten Aufmerksamkeit würdig.
    Zufrieden werkelte er eine Zeitlang unbekümmert inmitten dieser Flora.
    Die kampfwütigen Hunde hatten Ronnie unter ihre Fuchtel gebracht, als ob er ein Spielzeug wäre. Sie hatten ihn dabei erwischt, wie er verbotenerweise über die Mauer setzte, und ihn umzingelt, ehe er die Flucht ergreifen konnte. Zähnefletschend packten sie ihn, zerrissen ihn, spien ihn aus. Er entkam nur, weil Norton aufgekreuzt war und die Tiere einen Moment lang von ihrer Raserei abgelenkt hatte.
    Nach ihrer Attacke war sein Körper an mehreren Stellen eingerissen. Er mußte seine ganze Konzentration aufbieten, um seine Gestalt vor dem Auseinanderfallen zu bewahren, und war verwirrt nur mit knapper Not einer Entdeckung durch Norton entgangen.
    Jetzt kroch er aus dem Versteck. Der Kampf hatte ihn einige Energie gekostet, und das Leichentuch klaffte auf, so daß die Illusion kompakter Körperlichkeit zerstört war. Sein Bauch war aufgerissen, sein linkes Bein fast ganz abgetrennt. Die Flecken hatten sich vervielfältigt. Geifer und Hundescheiße kamen zum Blut hinzu.
    Aber der Wille, der Wille war alles. Er war jetzt schon so nah dran. Dies war nicht der Zeitpunkt, nachzugeben und der Natur ihren Lauf zu lassen. Er existierte in Rebellion gegen die Natur, das war seine Daseinsform. Und zum erstenmal in seinem Leben (und Tod) verspürte er eine freudige Erregung.
    Widernatürlich dazusein: dem Organismus und dem gesunden Menschenverstand zum Trotz dazusein, war das gar so schlimm? Er war vollgeschissen, blutig, tot und wiederauferstanden in einem besudelten Stück Tuch - er war barer Unsinn.
    Aber er war nicht nichts. Keiner konnte ihm sein Sein absprechen, solange er den Willen dazu aufbrachte. Der Gedanke war köstlich, als würde sich einem ein neuer Sinn in einer blinden, tauben Welt auftun.
    Er sah Maguire im Ge wächshaus und beobachtete ihn eine Weile. Der Feind war gänzlich in sein Hobby vertieft; er pfiff sogar die Nationalhymne bei der Pflege seiner Blumenschützlinge. Ronnie rückte näher an das

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