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Das 3. Buch Des Blutes - 3

Das 3. Buch Des Blutes - 3

Titel: Das 3. Buch Des Blutes - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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verzerrte Spiegelbild eines Unbekannten fiel. Das Zündholz verbrannte ihm die Finger, er sah zu Boden, als er es fallen ließ, und als er wieder aufschaute, hatte sich die Menge wie ein gieriges Meer um den Beobachter geschlossen.
    Es war ein schlimmes, schlimmes Gefühl. Und dort, woher es kam, war noch mehr davon.
    Gavin hatte nie mit Preetorius gesprochen, obwohl sie sich auf der Straße gelegentlich zunickten und sich in Gesellschaft von gemeinsamen Bekannten jeweils nach dem anderen erkundigten, als ob sie gute Freunde wären. Preetorius war ein Schwarzer, irgendwo zwischen fünfundvierzig und Verwesung, ein Lude der gehobeneren Klasse, der behauptete, von Napoleon abzustammen. Er hatte schon bald ein Jahrzehnt lang einen Stall Weiber laufen sowie drei oder vier Jungs und verdiente bestens mit dem Geschäft. Gleich zu Anfang, als Gavin mit seiner jetzigen Arbeit begann, hatte man ihm energisch angeraten, Preetorius’ Patronat zu erbitten, aber er war schon immer zu sehr Einzelgänger gewesen, um auf diese Art Beistand irgendeinen Wert zu legen. Infolgedessen wurde er von Preetorius und seinem Clan nicht besonders wohlwollend betrachtet. Sobald er jedoch eine feste Größe in der Szene geworden war, stellte niemand mehr sein Recht in Frage, in eigener Regie zu agieren. Es hieß allgemein, daß Gavins Habgier Preetorius sogar neiderfüllte Bewunderung abnötigte.
    Bewunderung hin oder her, es war ein frostiger Tag in der Hölle, als Preetorius tatsächlich das Schweigen brach und ihn anredete.
    »Weißer Junge.«
    Es ging auf elf zu, und Gavin war unterwegs von einer Bar gleich bei der St. Martin’s Lane zu einem Club am Covent Garden. Die Straße war noch sehr belebt. Unter den Theaterund Kinobesuchern gab es potentielle Freier, aber heute nacht hatte er keine Lust darauf. Er hatte einen Hunderter in der Tasche, den er gestern verdient und gar nicht erst auf die Bank getragen hatte. Mehr als genug, um ihn über Wasser zu halten.
    Die wollen mein Geld, war sein erster Gedanke, als er sah, wie Preetorius und seine schwarzweißen Schläger ihm den Weg versperrten.
    »Weißer Junge.«
    Da erkannte er das flache, ölige Gesicht. Preetorius war kein Straßenräuber; war noch nie einer gewesen, würde nie einer sein.
    »Weißer Junge, auf ein Wort, wenn’s recht ist.«
    Preetorius nahm eine Nuß aus der Tasche, zerknackte sie in seiner Hand und ließ den Kern blitzschnell in seinem geräumigen Mund verschwinden.
    »Hast doch nichts dagegen, oder?«
    »Was wollen Sie?«
    »Was ich sage: bloß ein Wort. Doch nicht zuviel verlangt, oder?«
    »Okay. Worum geht’s?«
    »Nicht hier.«
    Gavin sah sich Preetorius’ Garde an. Es waren keine Gorillas, so etwas war überhaupt nicht der Stil des Schwarzen, aber ebensowenig waren es fliegengewichtige Schwächlinge. Die Konstellation sah im großen und ganzen nicht besonders rosig aus.
    »Danke, aber nee, danke«, sagte Gavin und begann sich, so gleichmäßig ausschreitend, wie es ihm irgend möglich war, von dem Trio zu entfernen. Sie folgten ihm. Inständig hoffte er, sie würden es bleibenlassen, aber sie folgten ihm.
    Hinter Gavin redete Preetorius weiter. »Hör mal. Mir sind da schlimme Dinge über dich zu Ohren gekommen«, sagte er.
    »Ach wirklich?«
    »Fürchte ja. Man sagt mir, du hast dich an einem meiner Jungs vergriffen.«
    Gavin machte sechs Schritte, bevor er antwortete. »Ich nicht.
    Da haben Sie den Falschen erwischt.«
    »Er hat dich erkannt, Dreckstück. Du hast ihm ernsten Schaden zugefügt.«
    »Aber ich sag’ Ihnen doch: ich nicht.«
    »Du bist ein Irrer, weißt du das? So ein Kacker wie du gehört hinter Gitter.« Preetorius war wesentlich lauter geworden.
    Leute wechselten die Straßenseite, um dem eskalierenden Streit auszuweichen.
    Ohne nachzudenken, bog Gavin von der St. Martin’s Lane in die Long Acre ab und bemerkte rasch, daß er einen taktischen Fehler gemacht hatte. Die Menschenmassen lichteten sich hier beträchtlich, und es war ein langer, mühseliger Marsch durch die Straßen von Covent Garden, ehe er wieder in ein frequentiertes Viertel käme. Er hätte rechts statt links abbiegen sollen, dann wäre er gleich auf die Charing Cross Road gestoßen. Da wäre er einigermaßen sicher gewesen. Verdammt, er konnte nicht kehrtmachen und direkt in sie hineinrumpeln. Es blieb ihm nichts übrig, als weiterzugehen (nicht zu laufen; bloß nicht laufen mit einem tollwütigen Hund auf den Fersen) und zu hoffen, daß er die Unterhaltung auf kleiner Flamme

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