Das 3. Buch Des Blutes - 3
hinaustrat, mußte sich ein größerer Farbklumpen von der Statue gelöst haben. Er hörte ihn auftauchen, hörte das Geplätscher am Wannenrand, konnte, in seinem Kopf, sehen, wie die kleinen Wellen den Körper zum Schimmern brachten.
»Gut’ Nacht«, rief ihm Reynolds hinterher.
Gavin gab keine Antwort und nahm beim Gehen auch keinerlei Geld mit. Soll er doch seine Grabsteine und Geheimnisse für sich behalten.
Auf seinem Weg zur Eingangstür betrat er noch einmal das große Zimmer, um seine Jacke zu holen. Das Gesicht von Flavius, dem Standartenträger, blickte von der Wand auf ihn herunter. Der Mann muß ein Held gewesen sein, dachte Gavin. Nur einen Helden würde man auf solche Art im Gedächtnis bewahren. Er durfte sich ein derartiges Gedenken nicht erhoffen; kein Steingesicht, um seinen Erdenwandel zu bezeugen.
Er schloß die Eingangstür hinter sich, wurde wieder einmal gewahr, daß sein Zahn schmerzte, und im gleichen Augenblick begann der Lärm von neuem: das Schlagen einer Faust gegen die Wand.
Oder schlimmer noch: das urplötzliche Rasen eines erwachten Herzens.
Tags darauf hatte er wirklich stechende Zahnschmerzen und ging am späten Vormittag zum Zahnarzt, in der Erwartung, das Mädchen in der Anmeldung schon dazu überreden zu können, daß sie ihm sofort einen Termin gab. Aber sein Charme war auf einem Tiefpunkt, seine Augen sprühten nicht ganz so überschwenglich wie sonst. Sie sagte ihm, er müsse bis kommenden Freitag warten, außer es sei dringend. Er sagte ihr, das sei es; sie sagte ihm, das sei es nicht. Sah ganz nach einem schlimmen Tag aus: ein rumorender Zahn, eine lesbische Zahnarzthelferin, Eis auf den Pfützen, tratschende Frauen an jeder Straßenecke, häßliche Kinder, häßlicher Himmel.
Und es war der Tag, an dem die Verfolgung begann.
Gavin war schon früher von Verehrern gejagt worden, aber genaugenommen nie auf solche Weise. Nie so raffiniert, so verstohlen. Es war vorgekommen, daß ihm Leute tagelang auf Schritt und Tritt folgten, von Bar zu Bar, von Straße zu Straße, so hündisch, daß es ihn fast verrückt machte. Abend für Abend dasselbe sehnsüchtige Gesicht vor Augen zu haben … Manchmal nahm der betreffende Typ auch all seinen Mut zusammen und spendierte ihm einen Drink, offerierte ihm vielleicht eine Uhr oder Kokain oder eine Woche Tunesien, was auch immer.
Es dauerte nie lange, bis er diese klebrige Anbetung aus tiefster Seele zu verabscheuen begann; sie wurde so rasch schlecht wie Milch und stank ab dann zu m Himmel. Einer seiner glühendsten Verehrer, ein zum Ritter geschlagener Schauspieler, wie man ihm gesagt hatte, kam ihm nie wirklich nahe, folgte ihm bloß auf Schritt und Tritt und glotzte unentwegt. Zuerst hatte ihm die Aufmerksamkeit geschmeichelt, aber aus dem Vergnügen wurde bald Ärger, und schließlich hatte er den Burschen in einer Bar in die Enge getrieben und ihm mit einem eingeschlagenen Schädel gedroht. Er war derart aufgebracht in jener Nacht, hatte es derart satt, von Blicken verschlungen zu werden, daß er ernstlichen Schaden angerichtet hätte, wenn der armselige Mistkerl seinen Wink nicht verstanden hätte. Er war dem Typ nie wieder begegnet; vermutete fast, daß er wahrscheinlich nach Hause gegangen war, um sich aufzuhängen.
Aber diese Verfolgung war nicht annähernd so offenkundig, sie war kaum mehr als ein Gefühl. Es gab keinen handfesten
- Beweis, daß ihm jemand auf den Fersen war. Er hatte nur jedesmal, wenn er sich flüchtig umsah, das prickelnde Gefühl, daß sich jemand schnell in irgendeine Deckung verdrückte, oder daß nachts auf der Straße ein Spaziergänger mit ihm Schritt hielt und sich jedem Klappern seines Absatzes, jedem Stocken seiner Gangart anpaßte. Es war wie Paranoia, nur daß er nicht paranoid war. Wäre er paranoid, argumentierte er vernünftig, dann würde ihm das jemand sagen.
Außerdem passierten Dinge. Eines Morgens erkundigte sich die giftige Klatschbase, die einen Treppenabsatz unter ihm wohnte, beiläufig nach seinem Besucher: dem komischen Mannsbild, das spätabends ins Haus kam und stundenlang auf der Treppe wartete und dabei ständig sein Zimmer im Auge behielt. Er hatte keinen solchen Besucher und kannte auch keinen, auf den die Beschreibung gepaßt hätte.
An einem anderen Tag war er auf einer belebten Straße aus dem Gedränge in den Eingang eines leeren Ladens weggetaucht und war gerade dabei, sich eine Zigarette anzuzünden, als sein Blick auf das durch den Dreckbelag des Schaufensters
Weitere Kostenlose Bücher