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Das 3. Buch Des Blutes - 3

Das 3. Buch Des Blutes - 3

Titel: Das 3. Buch Des Blutes - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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zersplitterte, und der Wannenbewohner wurde sichtbar. Es war eine Statue, die geschnitzte Figur eines Schlafenden, nur daß der Kopf sich nicht in diese Schlummerhaltung fügte. Er war herumgereckt, um aus den trüben Schlieren des Bodensatzes zur Oberfläche hinaufzustarren. Die gemalten Augen standen offen, zwei rohe Kleckse auf einem grob geschnitzten Gesicht; der Mund war eine klaffende Wunde, die Ohren lächerliche Henkel an einem kahlen Kopf. Die Figur war nackt, ihre Anatomie nicht besser realisiert als ihre Züge - das Werkstück eines Bildhauerlehrlings. Stellenweise löste sich die Farbe ab, womöglich durch das Einweichen im Wasser, und stieg vom Torso in grauen Bläschensträngen auf. Darunter wurde ein dunkler Holzkern freigelegt.
    Zum Fürchten gab es hier nichts. Ein Kunstgegenstand in einer Wanne, in Wasser gelegt, um eine stümperhafte Bemalung zu entfernen. Das Plätschern, das er hinter sich gehört hatte, hatte von einigen Gasblasen hergerührt, die durch eine chemische Reaktion entstanden waren. Na, siehst du: der Schrecken ist erklärt. Nichts, um in Panik zu geraten. Schlag weiter, mein Herz, wie der Barmann vom Ambassador zu sagen pflegte, wenn eine neue Schönheit auf der Bildfläche erschien.
    Gavin lächelte über die Ironie; dies hier war kein Adonis.
    »Vergiß, daß du’s jemals gesehen hast.«
    Reynolds war an der Tür. Das Bluten hatte aufgehört, gestillt mit einem unappetitlichen, gegen seine Gesichtshälfte gedrückten Taschentuchfetzen. Der Schein der Kacheln färbte seine Haut gallig; seine Blässe hätte eine Leiche beschämt.
    »Sind Sie okay? Sie machen nicht den Eindruck.«
    »Ich werd’ schon wieder … nur gehn Sie, bitte.«
    »Was ist passiert?«
    »Bin ausgerutscht. Wasser am Boden. Bin ausgerutscht, weiter nichts.«
    »Aber der Lärm …« Gavin schaute wieder in die Wanne.
    Irgend etwas an der Statue faszinierte ihn. Vielleicht ihre Nacktheit, und dieser zweite Strip, den sie langsam unter Wasser vorführte, der radikale Strip: runter mit der Haut.
    »Nachbarn, weiter nichts.«
    »Was ist das?« fragte Gavin. Noch immer betrachtete er das wenig einnehmende Puppengesicht im Wasser.
    »Hat nichts mit Ihnen zu tun.«
    »Warum ist der so total in sich verkrümmt? Stirbt er?« Gavin blickte Reynolds gerade rechtzeitig an, um die Reaktion auf diese Frage, das säuerlichste Lächeln, verblassen zu sehen.
    »Sie warten sicher auf Ihr Geld.«
    »Nein.«
    »Verdammt noch mal! Dazu sind Sie doch hier, oder? ‘s liegen Scheine neben dem Bett. Nehmen Sie, was immer Ihnen Ihrer Meinung nach für die vertane Zeit zusteht …« Abschätzend betrachtete er Gavin. »Und für Ihr Stillschweigen.«
    Abermals die Statue. Gavin konnte die Augen nicht davon abwenden, trotz der stümperhaften Arbeit. Sein eigenes verwirrtes Gesicht trieb auf der Haut des Wassers, beschämte die Künstlerhand mit seinen Proportionen.
    »Machen Sie sich da drüber keine Gedanken«, sagte Reynolds.
    »Kann nicht anders.«
    »Das da hat nichts mit Ihnen zu tun.«
    »Es ist gestohlen … stimmt’s? Das Ding ist ein Vermögen wert, und Sie haben es gestohlen.«
    Reynolds grübelte über die Frage nach und schien schließlich doch zu müde, sich irgendwelche Lügen auszudenken. »Ja. Ich hab’s gestohlen.«
    »Und heute nacht war jemand da, um es sich wiederzuholen …«
    Reynolds zuckte mit den Achseln.
    »Stimmt’s? Jemand war da, um es sich wiederzuholen?«
    »Ganz recht. Ich hab’s gestohlen…« Reynolds leierte die Sätze mechanisch herunter, »… und jemand war da, um es sich wiederzuholen.«
    »Mehr wollt’ ich nicht wissen.«
    »Kommen Sie nicht wieder her, Gavin egal-wie-Sie-heißen.
    Und probieren Sie keine krummen Touren, ich werd’ nämlich nicht hiersein.«
    »Sie meinen, ich will was rausschinden?« sagte Gavin. »Ich bin kein Dieb.«
    Reynolds abschätzender Blick verkam zu blanker Verachtung.
    »Dieb oder keiner, seien Sie dankbar. Falls Sie zu so was fähig sind.« Reynolds trat von der Tür weg, um Gavin vorbeizulassen. Gavin rührte sich nicht.
    »Dankbar wofür?« wollte er wissen. Gelinde Wut flackerte in ihm auf; er kam sich, unsinnigerweise, zurückgestoßen vor, als würde man ihn mit einer Halbwahrheit abspeisen, weil er nicht würdig genug war, dieses Geheimnis zu teilen.
    Reynolds hatte zur Erklärung keine Kraft mehr. Erschöpft, mit zittrigen Knien, lehnte er am Türrahmen. »Gehn Sie«, sagte er.
    Gavin nickte und ließ den Typ an der Tür stehen. Als er vom Bad auf den Flur

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