Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das 3. Buch Des Blutes - 3

Das 3. Buch Des Blutes - 3

Titel: Das 3. Buch Des Blutes - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
Vom Netzwerk:
Konfrontation suchen - wahrscheinlich würde er sich später, wenn es ein Später gab und er diese Situation klarer checkte, ebendeswegen einen Narren nennen. Aber gerade als er die Idiotie der Handlung in Betracht zog, führte er sie auch schon aus, und über mit wäßrig-blutigen Lachen besprengte Fliesen schwang die Tür auf, und jeden Moment war mit einer Gestalt zu rechnen, die ihm hakenhändig und kreischend Widerstand leistete.
    Aber nein. Ganz und gar nicht. Der Gegner war nicht hier; und wenn er hier nicht war, dann war er auch nicht in der Wohnung.
    Tief und langsam atmete Gavin aus. Das Messer in seiner Hand senkte sich nach unten, leugnete seine Stichbereitschaft. Jetzt war er, trotz des Schweißes, des Entsetzens, enttäuscht. Wieder hatte ihn das Leben im Stich gelassen - ihm sein Schicksal durchs Hintertürchen wegstibitzt und ihn sitzenlassen mit einem Wischlappen in der Hand statt einer Medaille. Ihm blieb nichts übrig, als dem alten Mann die Krankenschwester zu spielen und weiterzumachen wie bisher.
    Das Badezimmer war in Lindgrünschattierungen gehalten; das Blut und die Fliesen harmonierten nicht. Der durchscheinende Duschvorhang, mit kessem Fisch-und-Meerespflanzen-Muster, war nicht ganz zugezogen. Es sah aus wie die Szenerie zu einem Filmmord, nicht ganz wirklich. Das Blut zu hell, die Kontraste zu schwach.
    Gavin ließ das Messer ins Waschbecken fallen und öffnete den Spiegelschrank an der Wand. Er war gut bestückt mit Mundwässern, Vitaminzusatzpräparaten und ausrangierten Zahnpastatuben, aber das einzige Mittel zum Verarzten war eine Dose Verbandpflaster. Als er die Wandschranktür schloß, begegnete er seinen eigenen Zügen im Spiegel, ein ausgelaugtes Gesicht. Er drehte den Kaltwasserhahn voll auf und beugte sich mit dem Kopf übers Becken; ein Spritzer Wasser würde den Wodka verscheuchen und seinen Wangen etwas Farbe geben.
    Als er das Gesicht in die mit Wasser gefüllten Hände tauchte, machte etwas hinter ihm ein Geräusch. Er richtete sich auf hart schlug ihm dabei das Herz gegen die Rippen - und drehte den Hahn zu. Wasser tropfte ihm von Kinn und Wimpern und gurgelte das Abflußrohr hinunter.
    Das Messer lag noch im Becken, eine Handlänge entfernt. Das Geräusch kam von der Wanne, aus der Wanne her, das friedfertige Schwappen von Wasser.
    Angstalarm hatte Adrenalinschübe ausgelöst, und mit neuer Genauigkeit destillierten seine Sinne die Umgebung. Der durchdringende Geruch von Zitronenseife, der Helligkeitsgrad der türkisen, durch lavendelfarbenen Tang flitzenden Engelbarsche auf dem Duschvorhang, die kalten Tröpfchen auf seinem Gesicht, die Wärme hinter seinen Augen: lauter plötzliche Erfahrungen, Einzelheiten, die sein wahrnehmendes Bewußtsein bis jetzt ignoriert hatte, zu träge, um bis an die Grenzen seiner Reichweite zu sehen und zu riechen und zu fühlen.
    Du lebst in der wirklichen Welt, sagte sein Kopf (wie Schuppen fiel es ihm von den Augen), und wenn du nicht sehr vorsichtig bist, wirst du hier sterben.
    Wieso hatte er nicht in der Wanne nachgesehen? Arschloch.
    Wieso nicht in der Wanne ?
    »Wer ist da?« fragte er und hoffte verzweifelt, daß Reynolds einen Otter hatte, der ein ruhiges Bad nahm. Lächerliche Hoffnung. Es war Blut hier, Herr im Himmel.
    Als das Plätschern nachließ, wandte er sich vom Spiegel ab los! los doch! - und schob den Duschvorhang an seinen Kunststoff haken zur Seite. In seinem überstürzten Eifer, das Geheimnis zu enthüllen, hatte er das Messer im Becken liegenlassen. Zu spät; die türkisen Barsche rückten ziehharmonikaartig zusammen, und er blickte in das Wasser hinunter.
    Es war trüb und tief, reichte bis auf ein, zwei Fingerbreit an den Wannenrand. Ein brauner Schaum drehte sich spiralenförmig auf der Oberfläche, und der davon aufsteigende Geruch war schwach tierisch, wie der eines nassen Hundefells. Nichts ragte über die Wasseroberfläche.
    Angestrengt spähte Gavin hinein und versuchte, die Gestalt auf dem Wannenboden auszumachen; sein Spiegelbild schwebte und schwankte inmitten des Schaums. Er beugte sich tiefer hinunter, außerstande, die unterschiedlichen Formen in der schlammigen Brühe zu einem Ganzen zusammenzusetzen, bis er die rohgestalteten Finger einer Hand erkannte und sich klar wurde, daß er eine menschliche Gestalt anschaute: In sich verkrümmt wie ein Fötus, lag sie absolut regungslos im schmutzigen Wasser.
    Er fuhr mit der Hand über die Oberfläche, um den schaumigen Schlamm wegzuräumen, sein Spiegelbild

Weitere Kostenlose Bücher