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Das 4. Buch des Blutes - 4

Das 4. Buch des Blutes - 4

Titel: Das 4. Buch des Blutes - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Entsetzen sie mehr, als es sein armseliger Wortschatz je könnte. Kurz nach fünf, bevor seine Mutter von der Arbeit heimkam, schlüpfte er aus dem Haus, um Brendan aufzusuchen.
    Anelisa nahm das Stück Schnur, das sie in der Gasse gefunden hatte, aus der Tasche und untersuchte es. Sie wußte nicht recht, weshalb sie es überhaupt aufgehoben hatte, aber irgendwie hatte es seinen Weg in ihre Hand gefunden. Sie spielte mit einem der Knoten, riskierte ihre langen Fingernägel dabei. Am frühen Abend hatte sie eigentlich ein halbes Dutzend bessere Dinge vor. Red war unterwegs, um Getränke und Zigaretten zu kaufen, und sie hatte sich ein gemütliches Duftschaumbad erhofft, ehe er wieder zurückkam. Aber allzu lange würde es nicht dauern, den Knoten aufzubinden, da war sie sich sicher.
    Genaugenommen schien er fast scharf darauf zu sein, sich lösen zu lassen: Seltsamerweise spürte sie eine Bewegung darin. Und noch faszinierender: Es gab Farben in dem Knoten
    – sie konnte das Funkeln von Karmesinrot und Violett erkennen. Inneralb weniger Minuten hatte sie das Bad vollständig vergessen; das hatte Zeit. Statt dessen konzentrierte sie sich auf das Rätselgebilde an ihren Fingerspitzen. Nach nur wenigen Minuten begann sie, das Licht zu sehen.
    Karney erzählte Brendan die Geschichte so gut er konnte.
    Sobald er den Sprung gewagt und mit dem Anfang begonnen hatte, entdeckte er, daß sie ihre eigene Schwungkraft besaß, die ihm mit relativ wenig Stocken zum Präsens durchhalf. Er schloß mit den Worten: »Ich weiß, es klingt verrückt, aber es ist die reine Wahrheit.«

    Brendan glaubte kein Wort; so viel war an seinem verständnislosen Blick abzulesen. Aber es zeigte sich mehr als nur Ungläubigkeit in dem narbenbedeckten Gesicht. Karney konnte nicht herausbekommen, was es war, bis Brendan ihn am Hemd packte. Erst dann erkannte er das Ausmaß von Brendans Wut. »Du findst es noch nicht schlimm genug, daß Catso tot ist«, fauchte er, »du mußt hierherkommen und mir diese Scheiße erzählen.«
    »Es ist die Wahrheit.«
    »Und wo sind diese bekackten Knoten jetzt?«
    »Hab’ ich dir doch gesagt: Der Alte hat sie wieder. Er hat sie heute nachmittag an sich genommen. Er will uns umbringen, Bren. Ich weiß es.«
    Brendan ließ Karney los. »Ich sag’ dir, was ich tun werde«, äußerte er großmütig, »ich werd’ vergessen, daß du mir irgendwas davon erzählt hast.«
    »Du hast nicht begriffen –«
    »Ich sage : Ich werd’ vergessen, daß du auch nur ein Wort gesprochen hast. In Ordnung? Und jetzt verpiß dich und nimm deine komischen Geschichten mit.«
    Karney rührte sich nicht.
    » Haste mich verstanden ?« brüllte Brendan.
    Karney erblickte ein verräterisches Glitzern in Brendans Augenwinkeln. Der Zorn war nur eine – kaum ausreichende –
    Tarnung für einen Kummer, den er nicht automatisch unterdrücken konnte. Weder Angst noch Argumente würden Brendan in seiner derzeitigen Stimmung von der Wahrheit überzeugen. Karney stand auf.
    »Tut mir leid«, sagte er, »ich geh’ jetzt.«
    Brendan schüttelte den Kopf, das Gesicht nach unten. Er sah nicht mehr auf, sondern ließ Karney seinen Weg hinaus alleine finden. Nun gab es nur noch Red; er war die letzte Berufungsinstanz. Die Geschichte, einmal erzählt, konnte ja noch mal erzählt werden, nicht wahr? Eine Wiederholung war bestimmt einfach. Karney suchte bereits nach den passenden Worten, als er Brendan seinen Tränen überließ.
    Anelisa hörte Red durch die Haustür hereinkommen; hörte ihn laut ein Wort rufen; hörte ihn es nochmals rufen. Das Wort war ihr vertraut, aber sie brauchte mehrere Sekunden fieberhaften Nachdenkens, um darin ihren eigenen Namen zu erkennen.
    »Anelisa!« rief er wieder. »Wo steckst du?«
    Nirgends, dachte sie. Ich bin die Unsichtbare. Versuch nicht, mich zu finden; lieber Gott, laß mich bloß in Ruhe. Sie legte die Hand an den Mund, um ihre Zähne am Klappern zu hindern. Sie mußte absolut still bleiben, absolut regungslos.
    Wenn sie sich auch nur um Haaresbreite rührte, würde es sie hören und holen kommen. Die einzige Sicherheit lag darin, daß sie sich zu einem winzigen Ball zusammenkauerte und sich den Mund mit der Handfläche
    Red begann, die Treppe hinaufzusteigen. Zweifellos war Anelisa im Bad und sang vor sich hin. Die Frau liebte Wasser wie nur weniges sonst. Stundenlanges Einweichen in der Wanne war für sie nicht ungewöhnlich; wie zwei Trauminseln ragten dann ihre Brüste aus dem Wasser. Vier Stufen vor dem oberen

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