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Das 4. Buch des Blutes - 4

Das 4. Buch des Blutes - 4

Titel: Das 4. Buch des Blutes - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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sein?«
    »Verdächtig?«
    »Nie und nimmer. Wir suchen nach einem geistesgestörten Gewalttäter, Carnegie. Groß; stark. Wild.«
    »Und die Verwundungen? Vorher oder danach?«
    Hendrix schaute finster drein. »Weiß ich nicht. Nach der Obduktion wissen wir mehr. Aber so wie’s aussieht, glaub’ ich, daß unser Mann völlig außer sich war. Ich würd’ sagen, die Verletzungen und die Vergewaltigung haben wahrscheinlich gleichzeitig stattgefunden.«
    Was sich in Carnegies normalerweise phlegmatischen Gesichtszügen abzeichnete, grenzte an Schock. »Gleichzeitig?«
    Hendrix zuckte mit den Achseln. »Lust ist ’ne komische Sache«, sagte er.
    »Zum Totlachen«, kam die entsetzte Antwort.

    Wie es seine Gewohnheit war, ließ Carnegie sich von seinem Fahrer einen knappen Kilometer von seiner Haustür entfernt absetzen, um vor Heimkunft, heißer Schokolade und Schlummer bei einem kleinen Fußmarsch auf andere Gedanken zu kommen. Das Ritual wurde mit peinlicher Sorgfalt eingehalten, selbst wenn der Inspektor hundemüde war. Der obligatorische Spaziergang verschaffte Carnegie die nötige Entspannung, ehe er sein trautes Heim betrat; lange Erfahrung hatte ihn gelehrt, daß es weder dem Gang der Ermittlungen noch seinem Familienleben dienlich war, wenn er seine beruflichen Probleme in die eigenen vier Wände mitnahm. Er hatte die Lektion zwar zu spät gelernt, um zu verhindern, daß seine Frau ihn verließ und seine Kinder sich ihm entfremdeten, aber er behielt das Prinzip noch immer bei.
    Heute nacht ging er langsam, um von den beklemmenden Szenen, die der Abend gebracht hatte, etwas Abstand zu gewinnen. Sein Weg führte ihn an einem kleinen Kino vorbei, von dessen bevorstehendem Abriß er in der Lokalpresse gelesen hatte. Es wunderte ihn nicht. Er war zwar kein Cineast, aber die Kost, die die Flohkiste zu bieten hatte, war in den letzten Jahren immer mieser geworden. Der Spielplan dieser Woche war dafür ein typisches Beispiel: ein Doppelprogramm Horrorfilme. Unoriginelles und gräßliches Zeug, den Plakaten nach zu urteilen, mit ihrer primitiven Graphik und ihrer unverschämten Übertreibung. » Schlaflose Nächte, vielleicht für immer! « lautete eine der reißerischen Schlagzeilen; und darunter kauerte – ausgesprochen wach – eine Frau im Schatten eines zweiköpfigen Mannes. Was für läppische Bilder die Massenunterhalter heraufbeschworen, um bei ihrem Publikum ein bißchen Angst zu erregen. Die wandelnden Toten; eine ins Ungeheuerliche und Raubtierhafte ausgeuferte Natur in einer Westentaschenwelt; Blutfresser, schauerliche Vorzeichen, Menschen, die über glühende Kohlen laufen, Gewitter und all der andere Blödsinn, vor den die Leute sich hinkauerten. Es war alles so lächerlich abgedroschen. Unter diesem Katalog von Dreigroschen-Scheußlichkeiten war nicht eine, die es mit der Banalität des menschlichen Verlangens aufnehmen konnte, dessen Grauen (respektive die Auswirkungen davon) er bei seiner Arbeit jede Woche zu sehen bekam. Bei dem Gedanken blätterte er innerlich ein Dutzend Schnappschüsse durch – die Toten im Taschenlampenschein, mit dem Gesicht nach unten und ins Vergessen geprügelt; und auch die Lebenden, die seinem geistigen Auge mit Hunger im Blick begegneten: nach Sex, nach Rauschgift, nach dem Schmerz anderer. Warum brachten sie nicht das auf die Plakate?
    Als er bei sich zu Hause ankam, greinte im Dunkel neben seiner Garage gellend ein Kind; das Kreischen ließ ihn abrupt stehenbleiben. Es kam wieder, und diesmal erkannte Carnegie, was es war. Beileibe kein Kind, sondern eine Katze, oder Katzen, die in dem verdunkelten Durchgang Liebesrufe austauschten. Er ging hin, um sie zu verscheuchen. Der Durchgang stank nach ihren Sexualsekreten. Carnegie brauchte nicht zu brüllen; das Geräusch seiner Schritte reichte, um sie zu versprengen. Nach allen Richtungen stoben sie auseinander, nicht zwei, sondern ein halbes Dutzend: eine regelrechte Orgie war da offenbar im Gang gewesen. Er war jedoch zu spät an ihrem Treffpunkt angelangt; der Gestank ihrer Liebesmühen war überwältigend.
    Verständnislos sah Carnegie das komplizierte Arrangement aus Monitoren und Videorecordern an, das sein Büro beherrschte.
    »Was soll’n das hier, um Gottes willen?«
    »Die Videobänder«, sagte Boyle, seine Nummer Zwei, »aus dem Labor. Ich glaube, Sie sollten sie sich ansehn, Sir.«

    Obwohl sie seit sieben Monaten im Team arbeiteten, war Boyle keiner von Carnegies Lieblingsbeamten; man konnte seinem glatten Balg

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