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Das 4. Buch des Blutes - 4

Das 4. Buch des Blutes - 4

Titel: Das 4. Buch des Blutes - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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düsteres Gesicht. Oder vielmehr der Nicht-Bestätigung des Wiedererkennens.
    »Sie sind es nicht«, murmelt er.
    »Wer?« fragte McBride; ihm wurde klar, daß er seinen guten Ruf doch noch aus diesem Fiasko retten könnte, wenn es ihm gelänge, irgendeinen Anhaltspunkt aus dem Zeugen herauszuquetschen. »Was ham Sie geglaubt, wer ich bin?«
    Der Mann öffnete den Mund, aber es kamen keine Worte heraus. Begierig auf die Zeugenaussage, kauerte McBride sich neben ihn nieder und fragte: »Wer ham Sie geglaubt, war das, den Sie angegriffen haben?«
    Wieder öffnete sich der Mund; wieder kamen keine hörbaren Worte heraus. McBride machte sein Anliegen dringlicher. »Es ist wichtig«, sagte er, »sagen Sie mir bloß, wer hier war.«
    Der Mann bemühte sich verzweifelt, seiner Antwort Stimme zu verleihen. McBride drängte sein Ohr an den zitternden Mund.
    »Nicht ’nem Bullenschwein«, sagte der Mann, wurde dann ohnmächtig und überließ es McBride, den eigenen Vater zu verfluchen, der ihm ein Temperament vermacht hatte, das er, wie er befürchtete, sein Leben lang würde bereuen müssen.
    Aber wozu war das Leben schließlich da?
    Inspektor Carnegie war Langeweile gewöhnt. Für jeden seltenen Augenblick echter Aufklärung, mit dem ihn sein Berufsleben beschenkt hatte, hatte er eine Stunde nach der anderen mit Warten hingebracht. Mit Leichen, die zu photographieren und zu untersuchen waren; mit Rechtsanwälten, mit denen man sich einigen, mit Verdachtspersonen, die man einschüchtern mußte. Er hatte es längst aufgegeben, gegen dieses Auf und Ab öden Stumpfsinns anzukämpfen, und, auf seine Weise, die Kunst gelernt, mit dem Strom zu schwimmen. Die Ermittlungsabläufe konnte man nicht überstürzen; ein kluger Kopf, zu dieser Ansicht war er inzwischen gelangt, ließ die Pathologen, die Rechtsanwälte und den ganzen Verein ruhig in ihrer saumseligen Tour gewähren.
    Das einzige, worauf es ankam, war, daß zu gegebener Zeit der Finger ausgestreckt wurde und der Schuldige erbebte.

    Jetzt – auf der Uhr an der Laborwand war es 12 Uhr 53
    nachts, und selbst die Affen waren in ihren Käfigen verstummt
    – jetzt saß er auf einem der Arbeitstische und wartete, daß Hendrix endlich mit seinen Berechnungen fertig wurde. Der Chirurg befragte das Thermometer, streifte dann seine Handschuhe ab wie eine zweite Haut und warf sie auf das Laken, auf dem die Verstorbene lag. »Is’ immer schwierig«, sagte der Doktor, »die genaue Todeszeit festzulegen. Ihre Temperatur ist weniger als drei Grad gefallen. Ich würd’ sagen, sie ist keine zwei Stunden tot.«
    »Die Beamten sind Viertel vor zwölf hier eingetroffen«, sagte Carnegie, »also ist sie vielleicht ’ne halbe Stunde vorher gestorben?«
    »So etwa um den Dreh.«
    »Ist sie da reingeschoben worden?« fragte er und zeigte dabei auf den Platz unter der Werkbank.
    »Aber sicher. Sie kann sich unmöglich selber versteckt haben. Nicht mit diesen Verletzungen. Die sind schon was Besonderes, hab’ ich recht?«
    Carnegie musterte Hendrix. Der Mann hatte vermutlich Hunderte von Leichen gesehen, in jeder erdenklichen Verfassung, aber in seinen spitzen Zügen zeigte sich uneingeschränkte Begeisterung. Carnegie fand dieses Rätsel auf seine Art faszinierender als das der Toten und ihres Schlächters. Wie konnte es einem nur Spaß machen, einer Leiche rektal die Temperatur zu messen? Es verwirrte ihn.
    Aber das Vergnügen war da; es leuchtete aus den Augen des Mannes.
    »Und das Motiv?« fragte Carnegie.
    »Ziemlich eindeutig, oder? Vergewaltigung. Die Belästigung war äußerst gründlich: Quetschungen um die Vagina; reichliche Samenablagerungen. Eine Menge Anhaltspunkte.«
    »Und die Wunden an ihrem Rumpf?«

    »Fransige Ränder. Mehr Risse als Schnitte.«
    »Die Waffe?«
    »Weiß ich nicht.« Hendrix machte ein umgekehrtes U mit seinem Mund. »Das heißt, die betreffenden Partien wurden zerfleischt. Wenn’s nicht die klaren Vergewaltigungsbeweise gäbe, wär’ ich glatt versucht, auf ein Tier zu tippen.«
    »Ein Hund, meinen Sie?«
    »Hab’ mehr an ’nen Tiger gedacht«, sagte Hendrix.
    Carnegie runzelte die Stirn, »’n Tiger?«
    »’n Witz«, antwortete Hendrix, »ich hab’n Witz gemacht, Carnegie. Lieber Gott, ham Sie gar kein’ Sinn für Ironie?«
    »Das hier is’ nicht lustig«, sagte Carnegie.
    »Ich lach’ auch nicht«, antwortete Hendrix mit verdrießlichem Gesichtsausdruck.
    »Und der Mann, den McBride in der Testkammer gefunden hat?«
    »Was soll mit ihm

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