Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das 5. Buch des Blutes - 5

Das 5. Buch des Blutes - 5

Titel: Das 5. Buch des Blutes - 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
Vom Netzwerk:
den Nägeln über den Rücken und zerrte an seinen Haaren, um sein Gesicht von ihrem Hals wegzubekommen. Während er sich abplagte, ging ihm durch den Kopf, daß sie ihn für das hier hassen würde und sie beide wenigstens über diesen Punkt einer Meinung sein würden, aber bald schon löschte bloße Empfindung den Gedanken aus.
    Nachdem das Gift ausgeschieden war, wälzte er sich von Carole herunter.
    »Dreckskerl…« sagte sie.
    Sein Rücken brannte. Als er vom Bett aufstand, hinterließ er Blut auf den Laken. Er grub sich durch das Chaos im Wohnzimmer und machte eine nicht zerbrochene Flasche Whisky ausfindig. Die Gläser waren jedoch alle zertrümmert, und absurderweise war er zu heikel, um aus der Flasche zu trinken. Er ging an der Wand in die Hocke - sein Rücken war mittlerweile abgekühlt - und fühlte sich weder elend noch stolz. Die Wohnungstür ging auf und wurde zugeknallt. Er wartete ab, Caroles Füßen auf der Treppe lauschend. Dann kamen ihm Tränen, allerdings mit dem Gefühl, als hätten auch sie nichts mit ihm zu tun. Schließlich, nach rascher Überwindung des Anfalls, ging er in die Küche hinüber, trieb eine Tasse auf und trank sich aus dieser bewußtlos.
    Garveys Arbeitszimmer war ein imposanter Raum. Er hatte es nach dem eines Steueranwalts aus seinem Bekanntenkreis gestaltet; die Wände mit nach dem laufenden Meter gekauften Büchern tapeziert, die Farbe von Teppich und Anstrich gleichermaßen gedämpft - wie durch ständige Ablagerung von Zi-
    garrenrauch und Gelehrsamkeit. Wenn er Schwierigkeiten mit dem Schlafen hatte wie jetzt, konnte er sich ins Arbeitszimmer zurückziehen, sich auf seinen lederbezogenen Chefsessel hinter einen riesigen Schreibtisch setzen und von einer weißen Weste träumen. Heute nacht jedoch nicht; heute nacht waren seine Gedanken anderweitig in Anspruch genommen. Stets kehrten sie, wie sehr er sich auch bemühen mochte, einen anderen Weg einzuschlagen, zur Leopold Road zurück.
    Er erinnerte sich kaum daran, was im Hallenbad passiert war. Das war an und für sich schon bedrückend; auf die Präzision seines Gedächtnisses hatte er sich immer etwas eingebildet. In der Tat hatte ihm seine Fähigkeit, sich gesehener Gesichter und erwiesener Gefälligkeiten zu entsinnen, in nicht geringem Maße zu seiner gegenwärtigen Macht verholfen. Unter den Hunderten der bei ihm Beschäftigten gab es, so brüstete er sich, keinen Pförtner oder Putzer, den er nicht mit dem Vornamen anreden konnte. Aber an die kaum sechsunddreißig Stunden alten Ereignisse in der Leopold Road hatte er nur die verschwommenste Erinnerung:
    wie die Frauen ihn umringten und das Seil um seinen Hals sich straffte; wie sie ihn den Beckenrand entlang zu irgendeiner Kammer führten, deren Scheußlichkeit ihm buchstäblich die Sinne raubte. Was auf seine Ankunft dort folgte, bewegte sich in seinem Gedächtnis wie jene Formen im brackigen Schmutz des Beckens: nur dunkel erahnbar, aber grauenvoll beklemmend. Hatte er nicht Erniedrigung und Greuel erlebt?
    An mehr konnte er sich nicht erinnern.
    Er war jedoch nicht der Mann, der vor solchen Vieldeutigkeiten ohne jede Beweisführung auf die Knie fiel.
    Wenn hier Geheimnisse aufzudecken waren, dann würde er das tun und die eventuellen Folgen der Enthüllung tragen. Sein erster Gegenschlag hatte darin bestanden, Chandaman und Fryer loszuschicken, damit sie Coloqhouns Wohnung umkrempelten. Wenn, wie er argwöhnte, dieses ganze
    Unternehmen irgendeine ausgefuchste, von seinen Feinden ersonnene Falle war, dann hatte Coloqhoun sie mit aufgestellt.
    Nicht mehr als ein Strohmann, ohne Zweifel; sicherlich nicht der eigentliche Drahtzieher. Aber Garvey war davon überzeugt, daß die Zerstörung von Coloqhouns Hab und Gut den Bossen im Hintergrund seinen Vorsatz zu kämpfen ankündigen würde.
    Und sie hatte auch noch weitere Früchte getragen. Chandaman war mit dem Grundriß vom Hallenbad zurückgekommen; der lag jetzt ausgebreitet auf Garveys Schreibtisch. Immer wieder hatte er seinen Weg durch den Komplex verfolgt, in der Hoffnung, das würde seinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen. Sie hatte sich nicht erfüllt.
    Überdrüssig stand er auf und ging zum Arbeitszimmerfenster. Der Garten hinter dem Haus war riesig und in strengster Ordnung gehalten. Garvey konnte jedoch im Moment wenig von den makellosen Rabatten sehen; das Sternenlicht vermittelte von der Welt da draußen allenfalls noch eine abstrakte Ahnung. Das einzige, was er sehen konnte, war sein Spiegelbild in

Weitere Kostenlose Bücher