Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das 5. Buch des Blutes - 5

Das 5. Buch des Blutes - 5

Titel: Das 5. Buch des Blutes - 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
Vom Netzwerk:
passe.
    Carole rief am späten Nachmittag an.
    »Gehn wir heut abend aus?« sagte sie. »Vielleicht ins Kino?«
    »Was willst du dir denn anschauen?« sagte er.
    »Och, so weit hab’ ich noch gar nicht gedacht. Da reden wir heut abend drüber, ja?«
    Schließlich gingen sie dann in einen französischen Film, der, soviel Jerry mitbekam, absolut keine Handlung zu haben schien; er bestand bloß aus einer Reihe von Dialogen zwischen Figuren, die sich über ihre seelischen Defekte und ihre hoch-fliegenden Ambitionen unterhielten, wobei die ersteren in direkter Proportion zum Scheitern der letzteren standen. Hinterher fühlte er sich wie betäubt.
    »Es hat dir nicht gefallen…«
    »Nicht besonders. Dieser ganze verbale Terror.«
    »Und kein knallharter Showdown.«
    »Kein Showdown.«
    Sie lächelte vor sich hin.
    »Was is’n so lustig?«
    »Nichts…«
    »Sag nicht >nichts<.«
    »Ich hab’ bloß gelächelt, das is’ alles. Darf ich nicht mehr lächeln?«
    »Jesus. Alles, was dieser Konversation fehlt, sind Untertitel.«
    Sie gingen eine kurze Strecke die Oxford Street entlang.
    »Willst du was essen?« fragte er, als sie zum oberen Ende der Poland Street kamen. »Wir könnten ins Red Fort gehen.«
    »Nein danke. Ich hass’ es, spät zu essen.«
    »Herrgott noch mal, streiten wir uns doch nicht über einen verdammten Film.«
    »Wer streitet denn?«
    »Du kannst einen rasend machen…«
    »Also das haben wir jedenfalls miteinander gemein«, gab
    sie zurück. Ihr Hals war gerötet.
    »Heut morgen hast du gesagt…«
    »Was?«
    »Na, das mit uns, wieviel dir dran liegt…«
    »Das war heute morgen«, sagte sie mit eisernem Blick. Und dann unvermittelt: »Nicht den geringsten Scheiß machst du dir draus, Jerry. Nicht aus mir, nicht aus irgend jemand sonst.«
    Sie starrte ihn an, fast so, als wisse sie genau, daß er antworten würde. Als er es unterließ, schien sie merkwürdig befriedigt.
    »Gut’ Nacht…« sagte sie und ging von ihm fort. Er sah zu, wie sie sich fünf, sechs, sieben Schritte von ihm entfernte, und sein Innerstes wollte ihr hinterherrufen, aber ein Dutzend Belanglosigkeiten - Stolz, Ermüdung, Bequemlichkeithinderten ihn, dies auch zu tun. Was ihn schließlich umstimmte und ihren Namen auf seine Lippen brachte, war der Gedanke an ein leeres Bett heut nacht; an die Laken, nur dort warm, wo er lag, und höllisch kalt links und rechts von ihm.
    »Carole.«
    Sie drehte sich nicht um; ihr Schritt stockte nicht einmal. Er mußte traben, um sie einzuholen, und dachte sich, daß diese Szene die Passanten wahrscheinlich amüsierte.
    »Carole.« Er packte sie am Arm. Jetzt blieb sie stehen. Als er vor sie hintrat, um ihr ins Gesicht zu schauen, sah er zu seinem Schrecken, daß sie weinte. Das brachte ihn aus der Fassung; er haßte ihre Tränen nur unerheblich weniger als seine eigenen.
    »Ich kapituliere«, sagte er, mühsam lächelnd. »Der Film war ein Meisterwerk. Recht so?«
    Sie ließ sich von seinen Mätzchen nicht beschwichtigen; ihr
    Gesicht war verschwollen vor Kummer.
    »Nicht doch«, sagte er. »Bitte nicht. Ich kann mich halt…«
    (nicht besonders gut entschuldigen, wollte er sagen, stellte sich aber so ungeschickt an, daß er nicht einmal das zustande brachte.)
    »Schon gut«, sagte sie. Sie war nicht wütend; nur traurig.
    »Komm wieder mit zu mir.«
    »Ich will nicht.«
    »Aber ich will es«, antwortete er. Zumindest das war ernstgemeint. »Ich mag nicht auf der Straße reden.«
    Er winkte ein Taxi herbei, und sie fuhren, wortlos nebeneinandersitzend, wieder nach Kentish Town. Auf halber Höhe der Treppe zur Wohnungstür sagte Carole: »Widerliches Parfüm.«
    Ein scharfer, penetranter Geruch hing in der Luft.
    »Es war jemand hier oben«, sagte Jerry, plötzlich beunruhigt, und stürmte hastig die restlichen Stufen zur Eingangstür seiner Wohnung hinauf. Sie war offen; das Schloß war brutal aufgebrochen, das Holz des Türpfostens zersplittert worden. Er fluchte.
    »Was is’n los?« fragte Carole, die hinter ihm die Treppe heraufkam.
    »Eingebrochen.«
    Er betrat die Wohnung und schaltete das Licht an. Das Innere war ein Chaos. Die ganze Wohnung war systematisch demoliert worden. Wohin man sah: kleine Akte der Zerstörungswut - Bilder zertrümmert, Kissenfüllungen herausgerissen, Möbelstücke zu Kleinholz gemacht. Er stand inmitten der Verwüstung und zitterte, während Carole von Zimmer zu Zimmer ging und in jedem auf die gleiche gründliche
    Zerstörung stieß.
    »Das geht gegen dich

Weitere Kostenlose Bücher