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Das 5. Buch des Blutes - 5

Das 5. Buch des Blutes - 5

Titel: Das 5. Buch des Blutes - 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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der polierten Scheibe.
    Als er sich darauf konzentrierte, schien sein Umriß unruhig hin und her zu flackern, und er spürte ein Auflockern im Unterbauch, als ob sich dort etwas gelöst hätte. Er legte seine Hand an den Unterleib. Der zuckte, zitterte, und einen Augenblick lang war Garvey wieder im Hallenbad, und nackt, und irgend etwas Klumpiges bewegte sich vor seinen Augen. Beinah hätte er aufgeschrien, hielt sich aber zurück, indem er sich vom Fenster wegwandte und den Raum anstarrte; die Teppiche und die Bücher und die Möbel; nüchterne, solide Realität. Auch dann wollten die Bilder nicht ganz aus seinem Kopf. Die Schlingen seiner Eingeweide waren noch immer in Aufruhr. Es dauerte mehrere Minuten, ehe er sich dazu bringen konnte, wieder das Spiegelbild im Fenster anzuschauen. Als er es schließlich tat, war jede Spur des Schwankens verschwunden.
    Er würde keine derartige Nacht mehr dulden, ruhelos und ohne
    Schlaf. Mit dem ersten Licht der Dämmerung festigte sich die Überzeugung, daß heute der Tag gekommen sei, um Mr. Coloqhoun abzuservieren.
    Jerry versuchte, Carole diesen Morgen mehrmals in ihrem Büro anzurufen. Sie war nicht erreichbar. Schließlich gab er es einfach auf und wandte seine Aufmerksamkeit der Herkulesar-beit zu, die Wohnung wieder halbwegs in Ordnung zu bringen.
    Es fehlte ihm jedoch an Konzentration und Energie, um das Vorhaben auch zu bewältigen. Nach einer wirkungslosen Stunde, in der er das Problem allenfalls angekratzt zu haben schien, gab er auf. Das Chaos spiegelte exakt wider, wie er sich selber sah. Womöglich das einzig Wahre, es unverändert lie-genzulassen.
    Kurz vor Mittag bekam er einen Anruf.
    »Mr. Coloqhoun? Mr. Gerard Coloqhoun?«
    »Am Apparat.«
    »Mein Name ist Fryer. Ich ruf im Auftrag von Mr. Garvey an…«
    »Ach?«
    War das nun Schadenfreude, oder drohten sie ihm weiteres Unheil an?
    »Mr. Garvey wartet noch immer auf ein Angebot von Ihnen«, sagte Fryer.
    »Ein Angebot?«
    »Er ist von dem Leopold-Road-Projekt sehr angetan, Mr.
    Coloqhoun. Er findet, daß sich da beträchtliche Summen rausschlagen lassen.«
    Jerry sagte nichts; dieses Palaver brachte ihn durcheinander.
    »Mr. Garvey hätte sich gern noch mal mit Ihnen getroffen, so bald wie möglich.«
    »Ja?«
    »Im Hallenbad. Es gibt da ein paar bauliche Einzelheiten, die er gern seinen Mitarbeitern gezeigt hätte.«
    »Verstehe.«
    »Ging’s bei Ihnen noch heute?«
    »Ja. Natürlich.«
    »Halb fünf?«
    Damit war die Unterredung mehr oder weniger beendet, und sie hinterließ keine geringe Verblüffung bei Jerry. In Fryers Verhalten hatte sich keinerlei Feindseligkeit gezeigt; kein auch noch so zarter Hinweis auf böses Blut zwischen den beiden Parteien. Vielleicht waren die Vorkommnisse der vorigen Nacht, wie die Polizei nahegelegt hatte, das Werk unbekannter Vandalen - der Diebstahl des Grundrisses eine Laune der betreffenden Verantwortlichen. Seine deprimierte Stimmung hellte sich auf. Es war nicht alles verloren.
    Durch diese glückliche Wendung der Ereignisse von neuem Mut erfüllt, rief er nochmals Carole an. Diesmal ließ er sich nicht mit den wiederholten Entschuldigungen ihrer Kollegin-nen abspeisen, sondern bestand darauf, sie persönlich zu sprechen. Endlich nahm sie den Hörer auf.
    »Ich will nicht mir dir reden, Jerry. Scher dich bloß zum Teufel.«
    »Hör mich doch erst mal an…«
    Sie knallte den Hörer auf die Gabel, ehe er noch ein weiteres Wort sagen konnte. Sofort rief er wieder bei ihr an. Als sie abhob und seine Stimme hörte, schien sie perplex zu sein, daß er so versessen darauf war, den Schaden wiedergutzumachen.
    »Wozu versuchst du’s denn überhaupt?« fragte sie. »Gott im Himmel, was hat das noch für einen Zweck?« Er konnte die Tränen in ihrer Kehle hören.
    »Ich möchte nur, daß du Bescheid weißt, wie mies ich mich fühle. Laß es mich wieder in Ordnung bringen. Bitte, laß es mich wieder in Ordnung bringen.«
    Sie reagierte mit keinem Wort auf sein Flehen.
    »Leg nicht auf. Bitte nicht. Ich weiß, es war unverzeihlich.
    Gott, ich weiß…«
    Und noch immer schwieg sie.
    »Denk einfach drüber nach, ja? Gib mir ‘ne Chance, das Ganze wieder in Ordnung zu bringen. Machst du das?«
    Sehr leise sagte sie: »Ich seh’ keinen Sinn drin.«
    »Darf ich dich morgen anrufen?«
    Er hörte sie seufzen.
    »Darf ich?«
    »Ja. Ja.«
    Dann wurde die Verbindung unterbrochen.
    Mit einer geschlagenen Dreiviertelstunde Spielraum machte er sich zu seiner Verabredung in der Leopold

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