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Das 5. Buch des Blutes - 5

Das 5. Buch des Blutes - 5

Titel: Das 5. Buch des Blutes - 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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sogar bei der hier herrschenden Hitze noch dampfte. Das war die Lichtquelle. Das Wasser im Becken gab eine Phosphoreszenz ab, die alles - die Kacheln, das Sprungbrett, die Umkleideräume (bestimmt auch ihn selbst) - mit demselben rötlichgelben Farbüberzug tönte.
    Aufmerksam musterte er den Schauplatz vor ihm. Von den Frauen zeigte sich nichts. Sein Weg zum Ausgang lag unangefochten da; auch konnte er keinerlei Sicherheitsschloß oder Ketten an den Doppeltüren entdecken. Er ging auf sie zu. Mit dem Absatz rutschte er auf den Kacheln aus, und als er kurz hinunterschaute, sah er, daß er durch eine Flüssigkeitsspur gelaufen war - schwierig, in dem behexten Licht ihre Farbe auszumachen -, die entweder am Wasserrand endete oder dort begann.
    Er schaute wieder aufs Wasser, die Neugier hatte gesiegt. In Wirbeln drehte sich der Dampf; ein kleiner Strudel spielte mit dem Schaum. Und da! Sein Auge erblickte eine dunkle, undefinierbare Gestalt, die unter der Haut des Wassers dahinglitt. Er dachte an die Kreatur, die er getötet hatte; an ihren formlosen Körper und die baumelnden Schlingen ihrer Glieder. War das hier wieder eine von dieser Spezies? Die flüssige Helligkeit plätscherte gegen die Beckenwand zu seinen Füßen; Schaumkontinente zerteilten sich zu Archipelen. Von dem Schwimmer aber zeigte sich nichts.
    Irritiert schaute Garvey vom Wasser weg. Er war nicht mehr allein. Drei junge Frauen waren von irgendwoher aufgetaucht und bewegten sich den Beckenrand entlang auf ihn zu. Eine erkannte er als das Mädchen wieder, das er vorgestern hier gesehen hatte. Sie trug ein Kleid, im Unterschied zu ihren Schwestern. Eine ihrer Brüste war entblößt. Ernst sah die junge Frau ihn an, während sie sich näherte; sie schleifte ein Seil neben sich her, das auf seiner ganzen Länge mit fleckigen, zu losen, aber barocken Knoten geschlungenen Bändern dekoriert war.
    Bei der Ankunft dieser drei Grazien begannen die Wasser des Beckens wild zu brodeln, und seine Bewohner stiegen empor, um die Frauen zu begrüßen. Garvey konnte sehen, wie drei oder vier fluktuierende Formen aufreizend dicht die Oberfläche streiften, sie aber nicht durchbrachen. Er war hin und her gerissen zwischen dem Impuls, die Flucht zu ergreifen (das Seil, obgleich hübsch aufgeputzt, war doch ein Seil), und dem Wunsch, noch zu bleiben und zu sehen, was das Becken enthielt. Er blickte kurz Richtung Tür. Es waren keine zehn Meter bis dorthin. Ein schneller Spurt, und schon wäre er draußen in der kühlen Luft des Korridors. Und dort war Chandaman in Rufweite.
    Die Mädchen standen zwei, drei Armlängen von ihm entfernt und beobachteten ihn. Er erwiderte ihre Blicke. All die Begierden, die ihn hierhergebracht hatten, waren wie fortgeblasen. Er wollte nicht mehr die Hand um die Brüste dieser Kreaturen legen oder an der Gabelung ihrer schimmernden Schenkel herumspielen. Diese Frauen waren nicht, was sie schienen. Ihre Ruhe signalisierte nicht Fügsamkeit, sondern eine Drogentrance; ihre Nacktheit signalisierte nicht Sinnlichkeit, sondern eine gräßliche, ihn beleidigende Gleichgültigkeit. Selbst ihre Jugend - die Weichheit ihrer Haut, der Glanz ihres Haars -, selbst die war irgendwie verdorben. Als das Mädchen im Kleid die Hand ausstreckte und Garveys schwitzendes Gesicht berührte, schrie er leise auf vor Abscheu, als ob ihn eine Schlange beleckt hätte.
    Sie ließ sich von seiner Reaktion nicht aus dem Konzept bringen, sondern sah ihm unverwandt in die Augen und trat noch näher an ihn heran; sie roch nicht nach Parfüm wie seine Geliebte, sondern nach Fleischlosigkeit. So demütigend die Situation für ihn auch war, Garvey konnte sich nicht abwenden. Er blieb stehen und erwiderte den Blick der Nutte, bis sie ihn schließlich auf die Wange küßte und das bebänderte Seil ihm um den Hals gelegt wurde.
    Den ganzen Tag über rief Jerry in halbstündlichen Abständen Garveys Büro an. Zuerst sagte man ihm, der Mann sei gerade nicht da und später am Nachmittag zu erreichen. Im Verlauf des Tages änderte sich jedoch die Nachricht. Garvey werde heute überhaupt nicht ins Büro kommen, informierte man Jerry. Mr. Garvey fühlt sich nicht wohl, sagte ihm die Sekretärin; er ist nach Haus gegangen, um sich hinzulegen.
    Bitte rufen Sie morgen wieder an. Jerry hinterließ bei ihr die Nachricht, daß er den Grundriß für das Hallenbad beschafft habe und er sich sehr gern mit Mr. Garvey zur weiteren Besprechung ihrer Pläne treffen würde, wann immer es diesem

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