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Das 5. Buch des Blutes - 5

Das 5. Buch des Blutes - 5

Titel: Das 5. Buch des Blutes - 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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auch jetzt war wieder dieses Lächeln in ihrem Gesicht - wie sie ihm da auf der anderen Seite des Raums gegenübersaß, die Beine gespreizt. Er starrte auf die Stelle dazwischen und dann wieder in ihr Gesicht.
    »Wovor hast du Angst?« fragte sie.
    »Ich hab’ keine Angst.«
    »Warum kommst du dann nicht her zu mir?« Er stand auf und ging durch den Raum zu ihr. Hinter ihm klatschte und lief das Wasser noch immer auf den Kacheln, und hinter den Fontänen murmelte die Madonna in ihrem Fleisch. Er war durch ihre Gegenwart nicht eingeschüchtert. Von seinesgleichen nahm eine solche Kreatur sicherlich nicht die geringste Notiz. Wenn sie ihn überhaupt sähe, würde sie ihn zweifellos für lächerlich halten. Gott im Himmel! Er fand sich ja selbst lächerlich. Er hatte weder Hoffnung noch Würde mehr zu verlieren.
    Morgen würde das alles ein Traum sein: das Wasser, die
    Kinder, die Schöne, die eben jetzt aufstand, ihn zu umarmen.
    Morgen würde er glauben, er sei einen Tag lang tot gewesen und auf Besuch in einem Duschhaus für Engel. Hier und jetzt aber würde er aus der Gelegenheit soviel herausholen, wie er nur konnte.
    Als er - nachdem sie sich geliebt hatten, er und das lächelnde Mädchen - versuchte, sich die Besonderheiten des Akts ins Gedächtnis zurückzurufen, war er sich durchaus nicht sicher, ob er das Seine überhaupt getan hatte. Nur die verschwommensten Erinnerungen blieben ihm, und zwar nicht an die Küsse des Mädchens, oder daran, wie sie sich vereinigten, sondern an ein Milchgetröpfel aus ihrer Brust, und an den Ausdruck, mit dem sie »Nie mehr… nie mehr…«
    murmelte, während sie sich ineinander verschränkten.
    Hinterher war sie gleichgültig: keinerlei Worte, keinerlei Lächeln mehr. Sie ließ ihn einfach im Sprühregen des Raumes allein. Er knöpfte sich die befleckte Hose zu und überließ die Madonna ihrer Fruchtbarkeit.
    Ein kurzer Korridor führte vom Duschraum in die Halle mit dem großen Schwimmbecken. Es war randvoll; das hatte er schon vage registriert, als sie ihn vor die Madonna brachten.
    Deren Kinder spielten in dem irisierenden Wasser, mannigfaltig ihre Gestalten. Die Frauen waren nirgendwo zu sehen, aber die Tür zum Außenkorridor stand offen. Er ging durch sie hinaus und hatte nicht mehr als ein halbes Dutzend Schritte gemacht, als sie auch schon hinter ihm zuglitt.
    Jetzt, allzu spät, wußte Ezra Garvey, daß die Rückkehr ins Hallenbad (wenn auch nur zu einem Akt der Einschüchterung, woran er üblicherweise immer Spaß gehabt hatte) ein Fehler gewesen war. Es hatte eine Wunde in ihm wieder aufgerissen, von der er gehofft hatte, daß sie bald verheilt sein würde; und es hatte Erinnerungen an seinen zweiten Besuch dort - an die Frauen und was sie ihm vorgeführt hatten (Erinnerungen, die er zu klären versucht hatte, bis er ihre wahre Beschaffenheit zu begreifen begann) - näher an die Oberfläche gebracht. Sie hatten ihn doch irgendwie unter Drogen gesetzt, oder? Und dann, als er schwach war und jegliches Anstandsgefühl verloren hatte, hatten sie ihn schamlos zu ihrer Belustigung benutzt. Sie hatten ihn wie ein Kind gesäugt und ihn zu ihrem Spielzeug gemacht. Die Erinnerungen daran verwirrten ihn nur; aber es gab andere, zu tief liegend, um sie richtig auseinanderhalten zu können, die ihn verstörten. An irgendeinen geheimen Raum und an Wasser, das wie ein Vorhang herabregnete; an eine Dunkelheit, die schrecklich, und an eine Lumineszenz, die noch schrecklicher war.
    Es war an der Zeit, das wußte er, diese Träume niederzutrampeln und solche Verwirrung ein für allemal loszuwerden. Er war ein Mann, der weder erwiesene noch geschuldete Gefälligkeiten vergaß; kurz vor elf führte er zwei Telefonate, um einige dieser Gefälligkeiten einzufordern. Was auch immer im Leopold-Road-Hallenbad hauste, es würde dort nicht länger gedeihen. Zufrieden mit seinen nächtlichen Schachzügen, ging er nach oben und zu Bett.
    Er hatte fast eine ganze Flasche Schnaps ausgetrunken, seit er von dem Zwischenfall mit Coloqhoun unruhig und ausgefroren nach Haus gekommen war. Jetzt tat der Alkohol, den er intus hatte, seine Wirkung. Seine Glieder fühlten sich schwer an, sein Kopf noch schwerer. Er gab sich nicht einmal damit ab, sich auszuziehen, sondern legte sich auf sein Doppelbett, um seinen Sinnen ein paar Minuten der Klärung zu gönnen. Als er das nächste Mal aufwachte, war es halb zwei Uhr nachts.
    Er setzte sich auf. Sein Bauch kapriolte wieder; ja sein ganzer Körper schien

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