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Das 5. Buch des Blutes - 5

Das 5. Buch des Blutes - 5

Titel: Das 5. Buch des Blutes - 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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später würde der Prozeß wieder einsetzen; das wußte er. Ihm war nicht mehr zu helfen.
    Ein heftiger Windstoß blies Gischt vom Wasser herauf. Sie regnete gegen sein Gesicht, und die Empfindung brach schließlich das Siegel seines Vergessens auf. Endlich erinnerte er sich an alles: den Duschraum, die Fontänen, die aus den durch-trennten Rohren auf den Boden klatschten, die Hitze, die lachenden und applaudierenden Frauen. Und schließlich an das Wesen, das hinter der Wasserwand hauste, ein Geschöpf, das schlimmer war als jegliches Schreckgespenst der Weiblichkeit, das sein sich zermarterndes Hirn zutage gefördert hatte. Er hatte dort gefickt, im Beisein dieses Behemoth, und in der Raserei des Akts - als er sich vorübergehend vergaß - hatten die Hexen diese Entrückung an ihm vollbracht. Sinnlos, irgend etwas zu bereuen. Was geschehen war, war geschehen. Zumindest hatte er Vorkehrungen zur Zerstörung ihrer Brutstätte getroffen. Jetzt würde er durch Selbstoperation zunichte machen, was sie durch Zauberei erreicht hatten, und ihnen so zumindest den Anblick ihres Werks verweigern.
    Der Wind war kalt, aber Garveys Blut war heiß. Strömend schoß es hervor, während er wie wild auf seinen Körper einhackte. Die Themse nahm das Trankopfer begeistert entgegen.
    Sie schlabberte zu seinen Füßen; sie peitschte sich zu kleinen Strudeln hoch. Er war jedoch mit der Arbeit noch nicht fertig, als ihn der Blutverlust überwältigte. Macht nichts, dachte er, während ihm die Knie einknickten und er ins Wasser kippte, höchstens noch Fische werden jetzt über mich Bescheid
    wissen. Daß der Tod kein Weib sein möge, war sein himmelwärts gesandtes Stoßgebet, als der Fluß sich über ihm schloß.
    Als Garvey in der Nacht aufwachte und seinen Körper in Aufruhr vorfand, hatte Jerry längst das Hallenbad verlassen, sich in seinen Wagen gesetzt und versucht, nach Hause zu fahren. Er war dieser einfachen Aufgabe jedoch nicht gewachsen. Sein Blick war getrübt, sein Orientierungssinn durcheinander. Nachdem er an einer Kreuzung beinah einen Unfall gebaut hatte, parkte er den Wagen und machte sich zu Fuß auf den Heimweg. Seine Erinnerungen an das, was ihm vor kurzem widerfahren war, waren keineswegs klar, obwohl die Ereignisse nur Stunden zurücklagen. Der Kopf schwirrte ihm von sonderbaren Assoziationen. Er bewegte sich in der konkreten Welt, aber halb träumend. Erst der Anblick von Chandaman und Fryer, die im Schlafzimmer seiner Wohnung auf ihn warteten, wirkte wie eine ernüchternde Ohrfeige. Er wartete ihre Begrüßung nicht ab, sondern machte kehrt und rannte los. Sie hatten seine Alkoholvorräte geleert, während sie auf der Lauer lagen, was ihre Reaktionen verlangsamte. Er war die Treppe hinunter und aus dem Haus verschwunden, ehe sie die Verfolgung aufnehmen konnten.
    Er ging zu Caroles Wohnung; sie war nicht daheim. Es machte ihm nichts aus zu warten. Eine halbe Stunde saß er auf den Eingangsstufen, und als der Mieter des Obergeschosses aufkreuzte, schlüpfte er, mit dem Mann ein paar Worte wechselnd, ins vergleichsweise warme Stiegenhaus und hielt Wache auf der Treppe. Dort döste er rasch ein und ging auf demselben Weg zurück, den er gekommen war, wieder zu der Kreuzung, wo er den Wagen hatte stehenlassen. Eine Menschenmenge kam an der Stelle vorüber. »Wohin geht ihr?« fragte er sie.
    »Uns die Jeburten ansehen«, antworteten sie. »Was für   Jeburten denn?« wollte er wissen, aber schnatternd verloren sie sich bereits in der Ferne. Er marschierte eine Zeitlang weiter.
    Der Himmel war finster, aber die Straßen waren dennoch von einem dünnen Schimmer blauen und schattenlosen Lichts übergossen. Unmittelbar bevor er in Sichtweite des Hallenbads kam, hörte er ein Platschen, und als er um die Ecke bog, entdeckte er, daß die Flut die Leopold Road heraufkam. Welches Meer das sei, erkundigte er sich bei den Möwen droben, denn der scharfe Salzgeruch in der Luft wies dieses Gewässer als Ozean, nicht als Fluß aus. Ob das irgendeine Rolle spiele, welches Meer es sei, erwiderten sie; ob nicht, letztendlich, alle Meere ein Meer seien? Er stand da und sah zu, wie die kleinen Wellen über den Asphalt krochen. Bei ihrem wenngleich sachten Vorrücken kippten sie Laternenpfähle um und unterspülten so rasch die Fundamente der Gebäude, daß letztere lautlos unter der eiszeitlichen Flut zusammenstürzten. Bald schon spielten die Wellen um seine Füße. Fische, winzige Silberpfeile, bewegten sich im

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