Das 5. Buch des Blutes - 5
ihm hingewendet hatte.
Gänsehautschauer jagten über ihn hin unter ihrem Gestarr, aber er konnte einfach nicht wegschauen von ihr. Und dann, während er die Augen zusammenkniff, um das Geschöpf genauer zu betrachten, bildete sich ein Funken Phosphoreszenz in der molluskenartigen Masse und verteilte sich - in flackernden Wellen gelbstichigen Lichts - über die ganze ungeheure Gestalt, die sich Coloqhoun nunmehr enthüllte.
Kein Neutrum; eine Sie. Er war sich absolut sicher, daß dieses Geschöpf weiblich war, obwohl es mit keiner ihm bekannten Art oder Gattung Ähnlichkeit hatte. Während die Lumineszenzwellen sich ringförmig im ganzen Körper des Geschöpfs ausbreiteten, wurde mit jedem Pulsschlag eine neue und unglaubliche Struktur sichtbar. Bei diesem Anblick mußte Jerry an etwas Zähes und Geschmolzenes denken - Glas etwa;
oder Stein -, dessen Fleisch zu komplizierten Formen stranggepreßt und wieder, zur Neugestaltung, in den Ofen abberufen wurde. Sie hatte weder Kopf noch Gliedmaßen, die als solche erkennbar gewesen wären; aber ihre Konturen waren dicht besetzt mit Trauben strahlender Blasen, die möglicherweise als Augen fungierten, und stellenweise rollte sie irisierende Bänder aus - langsame, pastellfarbene Flammen -, die jeden Augenblick die bloße Luft zu entzünden schienen.
Jetzt brachte der Körper eine Reihe leiser Geräusche hervor:
Gluckser und Seufzer. Jerry fragte sich, ob man ihn gerade an-redete, und falls ja, welche Reaktion man wohl von ihm erwartete. Da er Tritte hinter sich hörte, schaute er sich hilfesuchend nach einer der Frauen um.
»Hab keine Angst«, sagte sie.
»Hab’ ich nicht«, antwortete er. Es war die Wahrheit. Das Wunder vor ihm war zwar aufregend, aber es weckte keine Angst in ihm. »Was ist sie?« fragte er.
Die Frau trat nah an ihn heran. Ihre Haut, ins schimmernde Licht getaucht, das von der Kreatur ausging, war golden. Trotz der Umstände - oder vielleicht wegen ihnen - verspürte er einen Schauder der Begierde.
»Sie ist die Madonna. Die Jungfräuliche Mutter.«
Mutter? artikulierte Jerry tonlos und schwenkte den Kopf zurück, um wieder die Kreatur anzusehen. Die Phosphoreszenzwellen hatten aufgehört, über ihren Körper hinzuziehen.
Jetzt pulsierte das Licht nur in einem Teil ihres Leibes, und in dieser Region schwoll und spaltete sich die Materie der Madonna. Hinter sich hörte er weitere Schritte; und jetzt hallte Raunen rings im Raum wider und beipflichtendes Gelächter und Applaus.
Die Madonna gebar. Das angeschwollene Fleisch öffnete sich, und flüssiges Licht strömte hervor; ein Geruch nach Rauch und Blut erfüllte den Duschraum. Ein Mädchen gab einen Schrei von sich, wie in innigem Mitgefühl mit der Madonna. Der Beifall wuchs, und plötzlich zuckte der Schlitz spasmodisch und gab das Kind frei - ein Mittelding zwischen einem Tintenfisch und einem geschorenen Lamm. Es landete auf den Kacheln. Das Wasser aus den Rohren klapste es unverzüglich ins Bewußtsein, und es warf den Kopf zurück, um umherzuschauen; sein Einzelauge riesig und vollkommen gedankenklar. Es wand sich wenige Momente auf den Kacheln, ehe die junge Frau neben Jerry in den Wasserschleier vortrat und es aufhob. Unverzüglich fand sein zahnloser Mund zu ihrer Brust. Die junge Frau brachte ihn an ihre Warze.
»Nicht menschlich…« murmelte Jerry. Auf ein so fremdartiges und doch so eindeutig intelligentes Kind war er nicht gefaßt gewesen. »Sind alle… alle Kinder wie dieses?«
Die Ersatzmutter schaute auf den Sack Leben in ihren Armen hinunter.
»Keins gleicht dem anderen«, antwortete sie. »Wir nähren sie. Manche sterben. Andere bleiben am Leben und gehen ihre Wege.«
»Wohin, um Gottes willen?«
»Zum Wasser. Zum Meer. In Träume.«
Sie säuselte dem Kindwesen etwas zu. Ein kanneliertes Glied, in dem Licht floß, wie es in seinem Elternteil geflossen war, durchruderte freudig die Luft.
»Und der Vater?«
»Sie braucht keinen Mann«, kam die Antwort. »Aus einem Regenschauer könnte sie Kinder machen, wenn ihr danach wäre.«
Jerry schaute wieder zur Madonna. Bis auf ein letztes Restchen Licht war mittlerweile alles in ihr ausgelöscht. Der riesige Leib schleuderte eine safrangelbe Flammenranke heraus, die die Wasserkaskade erfaßte und tanzende Muster an die Wand warf. Dann war sie regungslos. Als sich Jerry wieder nach der Mutter und dem Kind umsah, waren sie fort. Ja, alle Frauen waren fort, bis auf eine. Und zwar die, die sich ihm als erste gezeigt hatte. Und
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