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Das 5. Buch des Blutes - 5

Das 5. Buch des Blutes - 5

Titel: Das 5. Buch des Blutes - 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Wasser.
    »Jerry?«
    Carole war auf der Treppe und starrte ihn an.
    »Was zum Teufel ist mit dir passiert?«
    »Ich wäre beinahe ertrunken«, sagte er.
    Er berichtete ihr von der Falle, die ihm Garvey in der Leopold Road gestellt, und wie man ihn zusammengedroschen hatte; dann von den Schlägern bei ihm zu Hause. Sie zeigte kühles Mitgefühl. Von der Jagd durch die Labyrinthspirale oder den Frauen oder dem Etwas, das er im Duschraum gesehen hatte, sagte er ihr nichts. Er hätte es nicht in Worte fassen können, selbst wenn er gewollt hätte. Seit er das Hallenbad verlassen hatte, war er sich von Stunde zu Stunde weniger sicher, überhaupt etwas gesehen zu haben.
    »Willst du hierbleiben?« fragte sie ihn, als er seinen Bericht beendet hatte.
    »Hätt’ nie geglaubt, daß du das fragen würdest.«
    »Du nimmst am besten erst mal ein Bad. Bist du sicher, daß sie dir nichts gebrochen haben?«
    »Ich glaub’, wenn, müßt’ ich das mittlerweile spüren.«
    Nichts gebrochen vielleicht; aber ohne irgendwelche Spuren war er nicht entkommen. Sein Rumpf war ein Flickwerk ausreifender Blutergüsse, und von Kopf bis Fuß tat ihm alles weh.
    Als er nach einer halben Stunde Einweichen aus der Wanne stieg und sich im Spiegel betrachtete, schien sein Körper von den Prügeln aufgebläht, die Haut seiner Brust zart und straff.
    Er war kein schöner Anblick.
    »Morgen mußt du zur Polizei gehn«, sagte ihm Carole später, als sie nebeneinanderlagen. »Und diesen Sauhund Garvey verhaften lassen…«
    »Sollt’ ich wohl…« sagte er.
    Sie beugte sich über ihn. Sein Gesicht war emotionslos vor Erschöpfung. Sie küßte ihn leicht.
    »Ich würd’ dich ja gern lieben«, sagte sie. Er schaute sie nicht an. »Warum machst du’s einem so schwer?«
    »Tu ich das?« sagte er, während ihm die Augen zufielen. Sie wollte ihre Hand unter den Bademantel schieben, den er immer noch anhatte - sie hatte seine Scheu nie ganz verstanden, aber sie fand sie süß -, und ihn liebkosen. Aber die Haltung, in der er dalag, hatte etwas Abgekapseltes, das den Wunsch signalisierte, nicht angefaßt zu werden, und sie respektierte das.
    »Ich mach’ das Licht aus«, sagte sie, aber er schlief bereits.
    Die Flut war nicht nett zu Ezra Garvey. Sie ergriff seinen
    Körper, warf ihn eine Weile spielend hin und her, stocherte an ihm herum wie ein vollgestopfter Tischgast in seinem Essen, wenn er keinen Appetit mehr hat. Sie trug den Körper eine Meile stromabwärts und wurde dann seiner Last überdrüssig.
    Die Strömung übergab ihn dem langsameren Wasser in Ufernähe, und dort - auf der Höhe von Battersea - verfing er sich in einem Schiffstau. Die Flut schwand meerwärts; Garvey nicht. Bei fallendem Wasserstand blieb er am Seil hängen, Zentimeter um Zentimeter wurde seine ausgeblutete Körpermasse bloßgelegt, während die Flut ihn verließ und die Dämmerung kam, ihn sich anzusehen. Bis acht Uhr hatte er mehr Zuschauer um sich gesammelt als nur den Morgen.
    Jerry erwachte vom Geräusch der Dusche, die im angrenzenden Bad lief. Die Schlafzimmervorhänge waren noch immer zugezogen. Nur ein dünner Lichtpfeil fand den Weg hinunter zu ihm. Er wälzte sich herum, um seinen Kopf im Kissen zu vergraben, wo ihn das Licht nicht stören konnte, aber sein Hirn, einmal angekurbelt, begann zu rotieren. Er hatte einen schwierigen Tag vor sich, an dem er der Polizei irgendeinen Bericht über die jüngsten Ereignisse würde erstatten müssen. Es würden Fragen gestellt werden, und einige davon könnten sich als unangenehm erweisen. Je eher er seine Geschichte überdachte, desto wasserdichter würde sie ausfallen. Er wälzte sich herum und warf das Laken ab.
    Als er an sich hinuntersah, war sein erster Gedanke, daß er noch nicht wirklich aufgewacht sei, sondern noch immer seinen Kopf im Kissen vergraben habe und dieses Aufwachen nur träume. Auch den Körper träume, den er bewohnte - mit diesen knospenden Brüsten und diesem weichen Bauch. Das war nicht sein Körper; seiner war vom anderen Geschlecht.
    Er versuchte, sich wachzuschütteln, aber es gab kein anderes Erwachen für ihn. Er war hier. Diese verwandelte Anatomie war seine - ihr Schlitz, ihre Glätte, ihr befremdliches Gewicht -
    alles seins. In den Stunden seit Mitternacht war er in Einzelteile zerlegt und nach anderem Bilde neu geschaffen worden.
    Das Geräusch der Dusche von nebenan ließ die Madonna wieder vor ihm erstehen. Und auch die Frau, die ihn in sich hineingelockt und, während er stirnrunzelnd

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