Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das 5. Gebot (German Edition)

Das 5. Gebot (German Edition)

Titel: Das 5. Gebot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nika Lubitsch
Vom Netzwerk:
überspann den Orinoco an einer Stelle, wo er sich verengte. Heute weiß ich, dass das die Angosturabrücke war. Wir legten an. Wir brauchten Geld, um uns Richtung Caracas zu bewegen, venezolanisches Geld, nicht diese braunen Scheine in Monikas Tasche. Also verkauften wir das Boot an einen Mann, der das Geschäft seines Lebens machte: Er fuhr uns zum Flughafen und besorgte uns Flugscheine nach Caracas für den nächsten Tag. Dann bezahlte er uns noch ein Hotel für die Nacht und hinterließ uns ein Bündel einheimischer Geldscheine. Wir waren gerettet, der kleine Flughafen mit seinem Barackenterminal war unser Tor nach Hause.
    Vor dem Abendessen gingen wir noch einkaufen: Wir kauften uns allen etwas zum Anziehen, was zivilisiert genug war, dass wir uns damit in der Stadt blicken lassen konnten. Beim Abendessen in einer kleinen Bar unter freiem Himmel schmiedeten wir unsere Legende. Wir würden uns in Caracas, nachdem wir ein bisschen Geld gewechselt hatten, trennen. Wir hätten Urlaub gemacht, in Caracas, als man uns unsere Ausweise gestohlen hat. Die Botschaften würden uns neue Ausweise ausstellen, die englische Botschaft für Fiona und ihre Tochter Vicky, die französische Botschaft für Isabelle und mich. Denn dass wir Töchter in diesem Alter hatten und mit diesem Namen, das war schließlich aktenkundig.
    Aber wie waren wir nach Caracas gekommen? Wie war das mit einem Visum, das wir natürlich nicht beantragt hatten? Würden unsere Botschaften das nicht merken, oder würden sie nachfragen, bei den Fluggesellschaften zum Beispiel, wie wir ins Land gekommen sind?
    Wir waren beide keine weltgewandten Reisenden damals, sondern zwei junge, unerfahrene Frauen. Rasch wurde uns klar, dass wir Hilfe von Einheimischen brauchten.
    Wieder war es Fiona, die die rettende Idee hatte. Wir würden Zuflucht in katholischen Kirchen suchen. Ein katholischer Geistlicher musste das Beichtgeheimnis wahren. Wir konnten einem solchen Geistlichen die Wahrheit sagen, auf seine Hilfe hoffen, vor allem, wenn wir der Gemeinde eine großzügige Spende hinterließen, wenn man uns weiterhalf. Schließlich wollten wir das Geld, das wir bei Monika gefunden hatten, nicht für uns verbrauchen. Wenn es denn einem guten Zweck dienen konnte und uns zudem nach Hause brachte, dann erfüllten wir damit bestimmt Gottes Wunsch, wie Fiona es ausdrückte.
    Am nächsten Morgen flogen wir mit Euch nach Caracas. Am Flughafen in Caracas haben Fiona und ich zunächst ein wenig Geld gewechselt. Am Abend vorher im Hotel hatten wir bereits das Restgeld geteilt, jeder von uns hatte es gut versteckt. Am Taxistand am Flughafen von Caracas haben wir uns für immer getrennt. Wir waren davon überzeugt, dass wir nur so eine Chance haben würden.
    Du wirst mich jetzt dafür verurteilen, dass ich mit der Frau, die Deine Zwillingsschwester aufgezogen hat, keinen Kontakt gehalten habe. Aber das wäre für uns alle viel zu gefährlich gewesen, wir mussten unter allen Umständen verhindern, dass irgendjemand unseren Schwindel mit den Zwillingen entdeckte. Wir versprachen uns, einander niemals zu suchen.
    Nein, Isabelle, mein Schatz, ich kenne den Namen Deiner Schwester nicht, ich weiß auch nicht, wo sie später aufgewachsen ist und was aus ihr geworden ist. Fiona wird sie als Vicky, ihre Tochter erzogen haben, denn das war unser Plan. Du nanntest sie Ela.
    Wir beide haben Unterschlupf gefunden in einem Franziskanerkloster. Die Franziskanerinnen von Maria Hilf haben mir geholfen, einen neuen Pass zu bekommen, mit dem wir beide dann nach ein paar Wochen das Land verlassen konnten. Das Geld von Monika ist sicher wirklich Bedürftigen zugutegekommen, der Orden unterhält viele Missionsstationen in Südamerika.
    Verzeih mir, ich habe versucht, Dir nach all dem eine gute Mutter zu sein. Ich habe versucht, Dir die Geschehnisse von damals so genau wie möglich zu erklären, all das hat sich tief in meine Erinnerung eingegraben. Ich hoffe, Du verstehst jetzt, warum ich nicht mehr länger leben will. Ich liebe Dich von ganzem Herzen, Isabelle.
    Leb wohl,
    Juliette Girard
    Vicky hatte inzwischen ihr Kopftuch als Taschentuch umfunktioniert. Die Tränen flossen ihr übers Gesicht. Leo hatte mit letzter Kraft gelesen, auch auf seinen Wangen schimmerte es feucht. Dominique lag über seinem Notebook und schluchzte. „Warum hat Isabelle mir denn nichts gesagt, sie würde heute noch leben, wenn wir das gemeinsam durchgestanden hätten.“
    „Das Massaker von Jonestown.“ Leo tippte etwas in

Weitere Kostenlose Bücher