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Das 5. Gebot (German Edition)

Das 5. Gebot (German Edition)

Titel: Das 5. Gebot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nika Lubitsch
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keine Schmerzen mehr, es war heiß und feucht, ich hatte wahrscheinlich hohes Fieber oder ich halluzinierte, auf jeden Fall lag neben mir eine Frau, die ich noch nie gesehen hatte.
    „ Was ist mit ihr?“, fragte ich. Und dann sah ich sie. Zwei kleine Mädchen hockten wimmernd und weinend unter einer Felsspalte. „Kommt her“, sagte ich, aber die beiden Mädchen, offensichtlich Zwillinge, waren so verstört, dass sie sich nicht von der Stelle bewegten. Oder sie verstanden mich nicht. „Was ist mit der Frau?“, fragte ich.
    Fiona schüttelte den Kopf. „Sie ist schon ganz kalt“, raunte sie mir zu.
    „ Wie?“
    „ Genickbruch, glaube ich“, sagte Fiona.
    Wieso waren sie hier, mitten im Dschungel, was machte die Frau mit ihren Zwillingen hier? Diese Frage haben wir nie klären können. Aus den Mädchen bekamen wir keinen Ton heraus, sie wimmerten wie kleine Kätzchen, sie ließen sich nicht anfassen. Und wie sollten wir sie trösten, waren wir selbst doch absolut trostlos.
    „ Wir müssen die Frau begraben“, sagte ich zu Fiona.
    „ Und womit?“
    Fiona hatte recht. Also schleppten wir Steine, die in dieser nach oben einen Spalt offenen Höhle lagen, und deckten ihren Leichnam so gut es ging ab, um ihm Schutz vor Tieren zu bieten.
    Als wir ihre Tasche durchsuchten, förderten wir Maniokbrot, Trockenfrüchte und Nüsse zutage. Außerdem fanden wir einen Pass. Im dämmrigen Licht, das durch die Öffnung der Höhle zu uns herunter drang, sahen wir, dass es ein Pass der Deutschen Demokratischen Republik war: Monika Brüggemann, geboren in Ostberlin, ebenso wie ihre Kinder Cornelia und Katharina. Wir nahmen den Pass mit. In einer Seitentasche fanden wir ungefähr dreihundert Dollar und Schlüssel. Für ein Auto, ein Boot, eine Wohnung? Und wir fanden eine Landkarte. Eine Landkarte! Ich hatte in all den Jahren, die ich nun in Guyana lebte, niemals eine Landkarte gesehen, hatte keine Vorstellung davon, wo wir uns befanden. Wir breiteten die Karte auf dem Boden der Höhle aus. Rot war ein Weg eingezeichnet, außerdem gab es Kreise und Pfeile.
    „ Wo eigentlich sind wir genau?“, fragte ich.
    „ Schwer zu sagen.“
    Die Kartografie in Britisch-Guayana hatte seit Wilhelm von Humboldt keine ernsthaften Fortschritte gemacht. Fiona fand Port Kaituma und Matthews Ridge anhand der Bahnlinie, die in die Karte eingezeichnet war. Wir wussten, dass das Camp sich in etwa in der Mitte dieser beiden Ansiedlungen befand, hatten wir doch einst eigenhändig eine Schotterstraße dorthin gebaut. Aber wohin waren wir gelaufen? Monika hatte ein ganzes Stück oberhalb von Port Kaituma am Kaituma-Fluss einen roten Kreis gezogen. Was war dort? Ein Boot? Wahrscheinlich. Denn von diesem Kreis aus führte eine rote Linie den Fluss entlang zur Mündung und weiter hoch nach Venezuela, wo der Fluss in den Orinoco mündete. War das ihr Ziel gewesen? Venezuela?
    Die beiden kleinen Mädchen saßen mit dem Rücken zum Felsen und starrten uns an. Wir kamen uns vor wie Grabräuber, wie Parasiten, die in der Tasche ihrer toten Mutter wühlten. Wir leerten die Tasche auf dem Boden der Höhle aus, um die Habseligkeiten von Monika zu sortieren und zu entscheiden, was wir mitnehmen würden. Etwas kullerte heraus. Ein Kompass! Nicht, dass ich in der Lage gewesen wäre, nach einem Kompass zu reisen, ich war noch nicht einmal in der Lage, ordentlich eine Karte zu lesen. Fiona schüttelte die Tasche. „Ganz schön schwer“, meinte sie und fasste noch mal hinein. „Nichts drin, trotzdem viel zu schwer.“ Sie zerrte am Futter. Es riss mit einem lauten Ratsch. Fiona starrte in die Tasche, dann starrte sie mich an. „Das glaube ich nicht“, sagte sie und griff in das Futter. In der Tasche befanden sich Bündel mit braunen Geldscheinen. 1000 Deutsche Mark stand darauf. Wir legten sie aufeinander und zählten. Es waren hundertachtzehntausend DM. Einhundertachtzehntausend. Wir sahen uns fassungslos an, allerdings wussten wir auch nicht genau, wie viel das Geld wert war. Da Frankfurt am Main darauf stand, wussten wir, dass es sich um westdeutsches Geld handeln musste. „Und jetzt?“
    „Das verstehe ich nicht“, sagte Vicky. „Wie kommt es, dass eine Frau mit einem Pass der Deutschen Demokratischen Republik so viel Westgeld hat? Außerdem dachte ich immer, die wären hinter dem Eisernen Vorhang eingeschlossen gewesen. Wie kam die Frau dann nach Guyana?“, fragte Vicky.
    Dominique sagte: „Vielleicht war sie eine Terroristin. Die sollen ja auch mit

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