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Das 5. Gebot (German Edition)

Das 5. Gebot (German Edition)

Titel: Das 5. Gebot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nika Lubitsch
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Menschen liefen in Panik zusammen, von fern hörte man bereits Martinshörner. Vicky wollte aussteigen aber Dominique hielt sie zurück. „Nein! Hiergeblieben, nicht auch noch du“, sagte er und tat das Gleiche wie die Autos vor ihm. Er wendete erneut.
    „Wo willst du hin, ich muss Leo da rausholen!“, schrie Vicky.
    Dominique schüttelte den Kopf. „Wir müssen hier weg, so schnell es geht. Wenn derjenige, der versucht hat, dich umzubringen, glaubt, dass du gerade in Flammen aufgegangen bist, bist du vorerst in Sicherheit. Wir fahren jetzt zu mir nach Hause, du kannst auf keinen Fall zurück ins Hotel!“
    „Aber Leo, ich muss ihm helfen.“ Vicky wollte aus dem Wagen springen.
    „Bleib hier, verdammt noch mal“, herrschte sie Dominique an. „Nicht auch noch du! Du kannst Leo nicht helfen.“
    Vicky kauerte sich in ihren Sitz, sie zitterte am ganzen Körper. Ihr war entsetzlich kalt, obwohl es draußen ein warmer Maiabend war. Schweigend fuhren sie zurück nach Tassin-la-Demi-Lune. Vicky versuchte das Handy von Leo zu erreichen. Sie hörte nur ein seltsames Tütütütüt in der Leitung.
    Plötzlich machte Dominique eine Vollbremsung. „Nein, das ist falsch! Wir fahren nach Berlin. Jetzt. Ohne Umweg.“
    Vicky zitterte immer noch. Sie hatte kaum hingehört. „Was hast du gesagt?“
    „Es wäre ein Fehler, nach Tassin zu fahren“, sagte Dominique. „Die werden mich auch beobachten. Vielleicht irgendwas manipulieren. Denk an das Geräusch vorhin, von dem ich dachte, es sei die Katze.“
    Vicky nickte und nickte. Dominique blickte sie von der Seite an. „Ich glaube, Mädel, du stehst unter Schock.“ Er fuhr um mehrere Ecken und warf immer wieder einen Blick in den Rückspiegel, ob irgendjemand sie verfolgte. Er hatte das Radio angedreht, in der Hoffnung, irgendeine Nachricht zu dem explodierten Fahrzeug zu erhalten. Zwar waren von allen Seiten Martinshörner zu hören, doch im Radio lief nur Musik. Deshalb gab Dominique Gas und bald befanden sie sich auf der Ausfallstraße zur Autobahn.
    Vicky versuchte immer wieder, Leo auf dem Telefon zu erreichen. „Vielleicht war das gar nicht sein Auto.“
    Dominique sagte: „Vicky, komm, gib es auf. Wir haben beide gesehen, dass es ein grauer SUV war, der genau an der Stelle explodierte, an der sich Leo gerade befinden musste.“
    Vicky hackte hektisch auf ihrem Handy herum.
    „Wohin fahren wir?“, fragte Vicky nach einer Weile.
    „Nach Berlin.“
    „Wieso?“
    „Vicky, versuch ein bisschen zu schlafen.“
    „Mir ist so kalt.“
    Dominique griff nach hinten und zerrte eine Decke nach vorn.
    „Hier, wickle dich darin ein. Wir werden auf der nächsten Raststätte Geld ziehen und dann bringe ich dich nach Hause.“
    „Nach Hause?“ Vicky nahm die Decke. „Ich will nur noch ins Bett, weg von all dem, ich will weinen, allein sein, ich will nicht in diesem blöden Auto sitzen, irgendwo auf der Autobahn. Ich will die Augen zumachen und schlafen. Ich will schreien. Es ist so kalt hier.“
    Dominique sah ein McDonaldʼs und setzte den Blinker.
    „Zuerst besorgen wir dir mal was Heißes zu trinken, Vicky“, sagte er und strich ihr sanft über den Kopf. Vicky zuckte zusammen, er hatte die Wunde auf ihrem Kopf berührt. Die Wunde. Wie lange war das jetzt her? Drei Tage. Drei Tage und ein halbes Leben.
    Dominique parkte und sah Vicky aufmerksam an. „Bleib bitte im Auto, ich schließe ab, damit dir niemand was tun kann. Soll ich dir was zu essen mitbringen?“
    „Essen? Nein.“ Dominique hörte sich an, als stünde er ein paar Meter von ihr entfernt. Als hätte er Schaumstoff vor dem Mund.
    „Bis gleich.“
    Vicky lehnte sich zurück in das Polster des SUV und schloss die Augen. Was machte sie hier auf der Autobahn mit einem wildfremden Mann? Er war der Mann ihrer Schwester. Ja, sie erinnerte sich. Vicky zog die Decke enger um sich, sie hatte Schüttelfrost. Leo ist tot. Ich muss es Ian sagen. Leo. Meine beste Freundin. Leo ist meinetwegen gestorben. Vicky versuchte, ihre klappernden Zähne zu beruhigen. Leo, Leo, Leo. Nie wieder würde er eine seiner berühmten, ätzenden Theaterkritiken schreiben. Nie wieder mit Ian lachen. Nie wieder mit ihr mailen. Nie wieder würde jemand Häseken zu ihr sagen. Sie hatte sich so wohl mit ihm gefühlt. Geborgen. Geliebt. Ja, geliebt. Sie hatte Leo von ganzem Herzen geliebt. So wie man einen Bruder liebt. Oder eine Schwester. Isabelle. Sie erinnerte sich nicht. Sie hatte absolut keine Erinnerungen. Weder an Isabelle noch an

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