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DAS 5. OPFER

DAS 5. OPFER

Titel: DAS 5. OPFER Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer McMahon
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zwischen ihnen warf riesige Schatten von ihnen beiden, die selber wie Geister an den Wänden hingen.
    »Andrea? Sind Sie da?«, fragte Tara beinahe atemlos.
    Die Plastikmarke bewegte sich zum oberen Ende des Bretts, das kleine Fenster schwebte über dem Wort Ja.
    »Tara bewegt das Ding, total«, sagte Charlie zu Reggie, aber er beugte sich vor, um über die Zeitung hinweg zuzusehen, seine braunen Augen waren aufgerissen.
    »Halt die Klappe, Chuckles«, zischte Tara tonlos. Und dann sagte sie deutlicher: »Andrea? Haben Sie eine Botschaft für uns?«
    Nichts. Reggie wollte, dass sie sich bewegte, wollte es so sehr, dass sie spürte, wie sie anfing, die Planchette zu ziehen, doch dann, als ihr bewusst wurde, was sie tat, hörte sie auf.
    »Können Sie uns sagen, wer der Mörder ist?«, fragte Tara. Sie lehnte sich über das Brett, betrachtete die Buchstaben. Ihr Gesicht sah orange-rot aus, wie der Teufel. Wie Captain Howdy vielleicht.
    Reggie hielt den Atem an, wartete.
    Taras Augen rollten in ihrem Kopf, und sie begann zu zittern, zuerst sanft, als bestünde ihre Körper aus Blättern und der Wind würde durch sie hindurchwehen.
    »Tara?«, flüsterte Reggie. »Alles in Ordnung?«
    Sie antwortete mit einem leisen Stöhnen, und ihr Kinn fiel auf ihre Brust, die Augen waren fest geschlossen. Ihr Zittern wurde übertriebener.
    Hatte sie eine Art epileptischen Anfall? Oder war all dieses Besessenheitsgetue echt? Sie wusste, dass es keines von beidem war, dass Tara ihnen nur etwas vormachte, und trotzdem stieg, als sie Tara zucken sah, Panik in ihr auf.
    »Charlie?«, sagte Reggie. »Etwas stimmt nicht mit …«
    »Es ist kalt hier«, sagte Tara, ihre Stimme war ein schlangenartiges Zischen.
    »Was?«, sagte Charlie und stolperte ein wenig rückwärts.
    »Es war kalt, wo er mich festgehalten hat. Da war ein Betonboden, Metallrohre.«
    »Wovon sprichst du, Tara?«, fragte Charlie, seine Stimme klang hoch und quietschend.
    »Mein Name ist nicht Tara«, sagte sie. Jetzt, da sie ihre Stimme erhoben hatte, erfasste Reggie die Andeutung eines neuen und anderen Akzents, konnte aber nicht sagen, woher er stammte.
    »Wer sind Sie?«, fragte Reggie, und ihr Mund wurde trocken. Das war nicht echt. Das war nur Tara, die eines von ihren Spielen spielte, die Dinge zu weit trieb. Aber wie bei allen von Taras Spielen, was für eine Wahl hatte Reggie, als mitzuspielen? Und war es nicht ziemlich aufregend? So zu tun, als könnte es echt sein. Sich selbst dazu zu bringen, es zu glauben, sodass ihr Herz hämmerte, während sie darauf wartete, dass Tara antwortete, obwohl sie genau wusste, was Tara sagen würde.
    Draußen trommelte der Regen auf das Dach. Er kam durch die Fenster herein, einige Tropfen schafften es bis auf Reggies Arm, der eine Gänsehaut bekam.
    »Andrea«, sagte Tara lächelnd. »Mein Name ist Andrea McFerlin.«
    Reggie fühlte sich, als hätte sie ein Kugelblitz in den Magen getroffen. Die Elektrizität bewegte sich durch sie hindurch, in ihre Arme und aus ihren Fingern heraus, ließ sie kribbeln, als sie sich entlud. Sie riss ihre Hände vom Ouija-Brett weg.
    »Herrgott noch mal!«, rief Charlie, stand auf und warf die Zeitung hin. »Das ist so kaputt, auf so vielen Ebenen, Tara. Du bist krank.« Er riss die Falltür auf und verschwand hinab in die regnerische Nacht. Man konnte nicht leugnen, dass er wütend war, doch Reggie kannte ihn gut genug, um zu erkennen, dass da auch Furcht dabei war. Charlie kam nicht gut mit dem Unerklärlichen klar.
    Tara blieb in ihrem Trance-Zustand – wenn es eine Trance war – ihr Kinn ruhte auf ihrer Brust. Reggie hielt den Atem an, nicht sicher, was als Nächstes passieren würde. Tara bewegte sich nicht. Ihr Atem klang heiser und fremd.
    »Wissen Sie, wer er ist?«, fragte Reggie schließlich. »Der Mörder?« Mehr Regen drang durch die Plane ein, eisig und kalt. Reggie schlang fröstelnd ihre Arme um ihre Brust.
    »Er ist kein Mann und jeder Mann«, sagte Tara, ihre Stimme war kaum mehr als ein Flattern. Reggie hörte zu, wie Tara ein- und ausatmete. Dann sagte sie: »Da ist noch etwas Anderes, was ich weiß.«
    Reggie beugte sich vor, bewegte ihr Gesicht direkt vor Taras. Sie roch nach Asche und Rauch. »Was denn?«, fragte Reggie.
    Tara sank tiefer Richtung Boden, ihr Körper wurde schlaff wie eine Stoffpuppe. Als sie sprach, war es ein kaum hörbares Seufzen:
    »Er hat sich bereits sein nächstes Mädchen ausgesucht.«

9 16. Oktober 2010 – Brighton Falls,

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