Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
DAS 5. OPFER

DAS 5. OPFER

Titel: DAS 5. OPFER Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer McMahon
Vom Netzwerk:
sehen – ein imponierendes, graues Granitgebäude, an dessen linker Seite ein neuer Anbau klebte. Der neue Gebäudeteil war von Fenstern bedeckt und hatte eine Dachverkleidung, die gar nicht passte. Statt sich an das Originaldach anzupassen, kollidierte es stattdessen mit ihm. Reggies Blick ging von der das Auge beleidigenden Ergänzung zu den originalen Vorderstufen, wo die Milchkartons zurückgelassen worden waren. Die Milchkartons und ihr grauenhafter Inhalt.
    »Okay, dort ist die West Street«, sagte Reggie und ging ein wenig zu schnell und abrupt in die scharfe Kurve. Die Eisenbahnschienen, die einst an der West Street entlanggelaufen waren, waren zu einem Schienen-zu-Pfaden-Radweg betoniert worden – dem einzigen von den Bauprojekten, die Reggie bis jetzt gesehen hatte, das ihr nicht das Gefühl gab, schreien zu müssen.
    Es waren viel mehr Häuser, als Reggie in Erinnerung hatte, und das einst offene Feld gegenüber von Millers Farm war jetzt mit Eigentumswohnungen bebaut, jedes Gebäude hatte eine identische Reihe von schwarzen Vordertüren, vinylbekleideten Fenstern und Balkonen mit Grillen. Reggie fragte sich, wie die Bewohner jeden Abend ihren Weg in die richtige Wohnung fanden.
    Endlich bogen sie in den Stony Field Drive ein. Das Haus an der Ecke hatte einen nachgemachten Friedhof auf dem vorderen Rasen. Eine grüne Hand erhob sich, krallte sich aus ihrem Grab.
    Reggie hatte ein enges Gefühl in der Brust.
    »Wir sind fast da, Mom«, sagte sie, umfasste krampfhaft das Lenkrad, als sie den Escape die Straße hinabfuhr, vorbei an der Ranch und den Häusern im Kolonialstil, die genauso waren, wie sie sie in Erinnerung hatte. Nachbarn, deren Rasen sie und Charlie gemäht hatten, die Limonade von ihr gekauft hatten, wenn sie einen Stand aufgebaut hatte, ihr zu Hallow-een Popcornbälle und Schokoriegel geschenkt hatten. Plastikfledermäuse und Gespenster aus Bettlaken hingen von den Bäumen, angebracht von einer neuen Generation von Eltern –vielleicht den Kids, mit denen Reggie zur Schule gegangen war und die jetzt ihre eigenen kleinen Kobolde hatten.
    »Wo?«, fragte Vera.
    »Zu Hause«, sagte Reggie, das Wort verfing sich in ihrem Hals, als sie blinkte, um in die Kiesauffahrt einzubiegen, wobei sie an dem alten, schwarzen Metallbriefkasten vorbeikam. Er stand immer noch schief, war nie wieder aufgerichtet worden, nachdem Reggie ihn gestreift hatte, als sie Fahren lernte.
    DUFRANE.
    MONIQUES WUNSCH WAR KLEINER, als Reggie in Erinnerung hatte, eher eine Waldhüterhütte in einem Märchen als das Schloss, in dem eine Prinzessin leben könnte.
    Als sie eine Heranwachsende war, hatte es sich groß und ausgedehnt angefühlt – zu groß und dunkel, um jemals warm zu werden. Die Steinmauern saugten Licht und Klang ein und waren immer ein bisschen feucht.
    Als sie jetzt durch die staubige Windschutzscheibe blickte, schätzte sie, dass es so um die zehn Meter lang und vielleicht sechs Meter breit war – ein großes Rechteck aus mattem grauen Zement und Stein. Die Ecken waren nicht quadratisch oder rechtwinklig, ließen das Haus sich nach hierhin und dorthin neigen. Der Zement bröckelte stellenweise. Einige Steine waren herausgefallen, hatten Lücken hinterlassen, wie fehlende Zähne. Der weiße Anstrich auf den Fensterbänken und Traufen löste sich ab, hing stellenweise wie tote Haut herunter. Das Dach war in traurigem Zustand, neigte sich in der Mitte, die Schieferschindeln waren gesprungen und locker.
    Das Haus war von Westen nach Osten angelegt, ganz falsch für eine Bergkuppe, die so eine großartige Südlage hatte. Wenn André die Landschaft studiert, ein wenig mit ihr gearbeitet hätte, das Gebäude nach Süden ausgerichtet, mehr Fenster eingebaut, die Lage der Bäume sorgfältiger mit einbezogen hätte – hätte es ein wärmerer, hellerer Ort werden können. Die Dichte des Steins hätte sogar zu ihrem Vorteil sein können, als Wärmespeicher gedient haben. Wie die Dinge lagen, stand das Haus den größten Teil des Jahres im Schatten, und die Mauern und das Dach waren mit Moos gesprenkelt. Das Gebäude sah so grau und feucht aus wie ein giftiger Fliegenpilz.
    »Erinnerst du dich daran, was du früher immer gesagt hast?«, fragte Reggie ihre Mutter, als sie mit zusammengekniffenen Augen auf die schiefen Mauern sah. »Dass Moniques Wunsch eher wie der Name eines Rennpferdes klingt als wie ein Haus?«
    Vera grinste und bewegte ruckartig den Kopf, schien aber etwas am Himmel zu betrachten. Reggie hatte keine

Weitere Kostenlose Bücher