DAS 5. OPFER
Rasierklinge in der Hand hatte. Doch der Schmerz holte sie zurück in ihren Körper, und sie fühlte sich auf diese ganz neue Art mit ihrem Körper verbunden. Sie war Reggie Dufrane, ein dreizehnjähriges Mädchen. Und zum ersten Mal, seit sie sich erinnern konnte, hatte sie die Kontrolle über etwas Großes, Gefährliches.
»Hat sich das nicht gut angefühlt?«, fragte Tara.
»Mm«, sagte Reggie, schloss ihre Augen, konzentrierte sich auf den Schmerz, verschmolz damit.
Tara hatte recht: In diesen wenigen kostbaren Sekunden, verblasste alles andere.
CHARLIE LAG AUF SEINEN Knien auf dem vorderen Rasen und bastelte an der Motorsense herum.
»Hey, Fremder«, sagte Tara und hüpfte praktisch direkt zu ihm hin. Nachdem sie die Rasierklinge weggelegt hatten, hatten Tara und Reggie die Garage mit diesem seltsamen Hochgefühl verlassen – die Welt sah plötzlich positiver aus, und alles schien möglich. Als sie zu Charlie gingen, hatten sie sich immer wieder angesehen und sich mit diesem breiten Wir-haben-ein-Geheimnis-Lächeln angelächelt.
Charlie grunzte ein schnelles Hallo, würdigte Tara dabei kaum eines Blickes, bevor er sich wieder auf die Sense konzentrierte, die er mit einem neuen leuchtend roten Nylonband auflud.
»Heiß heute, oder?«, sagte Tara.
Charlie machte mit dem Aufziehen des Fadens weiter. Sein weißes T-Shirt war durchgeschwitzt und voller Grasflecken. Er roch nach Benzin.
»Hast du drinnen Cola oder so was?«
Charlie beendete seine Arbeit, befestigte die Spule wieder und stand auf, wobei er seine Hände an seinen schmutzigen Arbeitsshorts abwischte. »Kommt rein«, sagte er. Sie folgten ihm zum Haus.
»Mist«, sagte er, als er versuchte, die Tür zu öffnen und sie verschlossen fand. »Mein Dad muss sie abgeschlossen haben, als er das Haus verließ. Er macht die Dinge heutzutage auf Autopilot.« Charlie griff nach der geschnitzten, hölzernen Hausnummer, 17, die rechts von der Tür hing und drehte sie gegen den Uhrzeigersinn. Charlie holte einen Schlüssel aus der kleinen Nische, die dahinter versteckt war, und schloss die Tür auf.
Das kleine Farmhaus war eng und dunkel, die staubigen Jalousien waren heruntergezogen. Reggie war sicher, dass sie immer noch Mrs Berrs Zigarettenrauch riechen konnte. Sie erwartete halb, dass sie um die Ecke aus der Küche kommen würde, mit ihrer neusten Götterspeisekreation in der Hand.
Tara hob Nippes auf und untersuchte ihn, und Bilder, die auf staubigen Regalen arrangiert waren, während Charlie losging, um Cola für sie alle zu holen.
»Dein Dad ist also bei der Arbeit?«, rief Tara ihm nach, wischte ihre Hände an ihrer Jeans ab.
»Heute sollte eigentlich sein freier Tag sein, aber er wurde angerufen.« Charlie reichte ihnen beiden je eine kalte Dose Cola und setzte sich schwer auf die Kunstledercouch. »Habt ihr schon gehört? Eine weitere Hand ist aufgetaucht.«
»Was?«, sagte Tara, so aufgeregt, dass sie den Softdrink über ihr ganzes Shirt verschüttete. »Wann?«
»Erst vor ein paar Stunden.« Charlie beobachtete, wie Tara das trockene untere Ende ihres Shirts anhob und es benutzte, um den nassen Bereich direkt über ihrer Brust abzutupfen. Sie konnten ihren nackten Bauch sehen und ein kleines Stück von ihrem schwarzen BH. Charlie sah aus, als würde er den Atem anhalten.
»Er wird schneller«, sagte Tara aufgeregt. »Letztes Mal war da … was, eine Woche oder mehr zwischen dem Mord an Andrea McFerlin und dem Hinterlassen von Candace Jacques Hand? Dieses Mal waren es nur drei Tage.«
Charlie nickte. »Weißt du, was mein Dad mir erzählt hat … er sagte, er denkt, dass dieser Kerl gerade erst anfängt. Er ist jetzt wirklich auf den Geschmack gekommen. Es ist wie eine Sucht. Er wird nicht in der Lage sein aufzuhören.«
Reggie schauderte unwillkürlich. »Haben sie irgendeine Ahnung, wessen Hand es ist?«
»Weiß nicht«, sagte Charlie und nahm einen langen Schluck Cola.
Tara fasste in die Tasche ihrer Jeans und fummelte an etwas herum – vermutlich dem Puppenschuh.
»Hat dein Dad noch irgendetwas anderes über den Fall gesagt? Gibt es Verdächtige? Eine Verbindung zwischen den Damen, die getötet wurden? Ich meine, wissen sie überhaupt, ob der Mörder ein Mann ist?«, fragte Tara, feuerte die Fragen schnell hintereinander ab, ließ sie aufeinandertreffen. »Vielleicht ist es eine Frau, oder ein Paar, oder ein verrückter satanischer Kult oder so etwas.« Ihre Augen waren riesig, als sie sich zu Charlie vorbeugte, auf seine Antwort
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