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DAS 5. OPFER

DAS 5. OPFER

Titel: DAS 5. OPFER Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer McMahon
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verschwunden, und ihre Augen sahen dunkel und grausam aus. Ihre Hände waren kalt und rochen nach Zigaretten. »Und ich gebe dir eine Minute, um mein neuestes Opfer zu retten. Sag mir, warum ich tue, was ich tue.«
    »Das ist dämlich, Tara«, sagte Charlie.
    »Beantworte die Frage«, befahl sie und griff noch fester zu. Reggie versuchte zu schlucken und konnte es nicht. Sie hielt vollkommen still, versuchte sogar, nicht zu atmen.
    »Weil es eine Sucht ist«, sagte Charlie ungeduldig.
    »Und?« Tara drückte noch etwas fester zu. Reggie machte ein würgendes Geräusch und fasste nach oben, um Taras Hand von sich wegzuziehen. Sie griff nach Taras Handgelenk, zog und zerrte, doch Tara hielt fest.
    »Hör auf damit, Tara! Du tust ihr weh!«, sagte Charlie und sprang von der Couch auf.
    »Bleib zurück und halte dich an die Spielregeln, oder sie ist tot. Ich bin nicht Tara, ich bin Neptun«, zischte sie, ihre Stimme war tief und rau. Als sie erneut sprach, war es ein Brüllen: »Nun, warum tue ich, was ich tue?«
    Reggie fühlte sich benommen. Sie grub ihre Nägel in Taras Handgelenke, versuchte zu sprechen, aber es wollten keine Worte herauskommen. Sie befand sich in einem Tunnel, und da am Ende des Tunnels war Tara und blickte auf sie herab. Nur dass es nicht Tara war. Sie war Neptun. Ein Mann mit einem schattenhaften Gesicht und Hummerscheren statt Händen – es war nicht Haut, an der sie zerrte und in die sie kniff, keine menschlichen Handgelenke, sondern ein abscheulicher Panzer.
    »Tara!« Charlie fasste sie um die Taille, riss sie von Reggie weg und warf sie auf den Boden. Reggie keuchte, sog Luft ein. Ihre Hände flogen schützend zu ihrem schmerzenden Hals, ihrer gequetschten Luftröhre.
    »Du verfluchte Idiotin«, sagte Charlie und drückte Taras Handgelenke auf den Boden, saß auf ihren Hüften, damit sie sich nicht bewegen konnte.
    Tara lächelte zu ihm auf. »Jetzt fühlst du es, nicht wahr?«, fragte Tara. »Es geht um Macht, schlicht und einfach. Das Mädchen ist unter dir, ihr Leben in deinen Händen. Du bekommst davon einen riesigen Ständer, und es gibt nur eine Auflösung. Du musst sie töten. Und wenn du das tust, hast du das ganze Universum in deinen Händen. Du bist wie Gott.«

15 17. Oktober 2010 – Brighton Falls, Connecticut
    REGGIE WACHTE IN Angstschweiß gebadet, mit klopfendem Herzen auf. Sie hatte geträumt, dass sie in einer dunklen Höhle festgebunden war und dass jemand einen Ring auf ihren Finger schob. Und dann ihre Hand abhackte.
    Bis dass der Tod uns scheidet.
    »Mist«, sagte sie und setzte sich in ihrem Kinderbett auf, unter derselben Steppdecke, unter der sie als Heranwachsende geschlafen hatte – mit einem Drunkard’s-Path-Muster, das ihre Großmutter gemacht hatte. Die Großmutter, die sie niemals getroffen hatte, die bei Veras Geburt gestorben war. Als Reggie ein kleines Mädchen war, hatte sie die Geschichte gehört und sich vorgestellt, wie ihre Mutter aus dem Bauch ihrer Großmutter explodiert war, als wäre es irgendwie die Kraft von Veras Existenz selbst, die Monique getötet hatte.
    Reggie blickte auf das Muster, erinnerte sich daran, wie ihre Mutter durch die Vordertür direkt zu Reggie getaumelt war, sich neben ihr zusammengerollt hatte, unter der Steppdecke gingetränkte Geheimnisse gehaucht hatte. Drunkard’s Path. Der Weg des Trinkers.
    Die Steppdecke, die einst von einem lebhaften Rot-Weiß gewesen war, war zu fleckigem Rosa und schmuddeligem Gelb verblasst. Reggie konnte die winzigen, handgenähten Stiche sehen, die die Blöcke zusammenhielten, die Formen zu einem Weg verbanden, der zu taumeln und zu schwanken schien.
    Reggie starrte zur Decke empor, der Putz hatte Wasserflecke und bröckelte. Das Dach musste seit einer Weile undicht sein. Manche Flecke bestanden aus vielen Ringen, was Reggie an eine topografische Karte erinnerte. Sie betrachtete die imaginäre Landschaft an der Decke, sah Berge und Täler vor sich, fragte sich, wie es sein würde, dort zu leben.
    Die Tür zu ihrem Zimmer knarrte – sie blickte hinüber und sah, wie sie sich langsam schloss. Jemand war dahinter, draußen im Flur.
    »Hallo? Lorraine? Mom?« Da war ein schlurfendes Geräusch, Schritte, die zurück durch den Flur gingen.
    Ihr Mobiltelefon begann zu surren. Sie rollte herum, nahm es vom Nachttischschrank und sah die Leuchtziffern der Digitaluhr: 7:32. Mist. Sie schlief selten länger als bis sechs. Das Telefon vibrierte in ihrer Hand, und sie sah auf das Display: Len.
    »Hey,

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