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DAS 5. OPFER

DAS 5. OPFER

Titel: DAS 5. OPFER Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer McMahon
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wartete.
    Charlie schüttelte den Kopf. »Er hat mir gar nichts erzählt. Nur das mit dieser Sucht-Sache hat er gesagt, als er heute Morgen wegging. Um euch die Wahrheit zu sagen, ich mache mir ziemliche Sorgen um ihn.« Charlie stellte sein Getränk ab und begann, an losen Fäden seiner Shorts herumzuzupfen. »Er isst kaum noch. Schläft nicht viel. Wenn er zu Hause ist, schließt er sich in seinem Büro ein. Ich schätze, ich sollte dankbar sein, dass er mir nicht im Nacken sitzt, aber es ist seltsam, wie er irgendwie der unsichtbare Vater geworden ist. Manchmal wache ich mitten in der Nacht auf, und er ist nicht da – er ist zur Arbeit gegangen, um zwei Uhr morgens. Er sieht wie ein verfluchter Zombie aus.«
    Reggie blickte zu den Regalen hinüber und betrachtete die Schulfotos von Charlie, die Schnappschüsse von Familien-ferien. Charlie hatte die Augen und die Nase seiner Mutter. Sie war eine schmächtige Frau mit riesigen braunen Augen, blonden Haaren und einem breiten Lächeln gewesen. Es gab außerdem Bilder von Stu Berr in seiner Polizeiuniform, und davor, in der Armee. Er hatte als Sanitäter in Vietnam gedient. Er war, schätzte Reggie, um die fünfzig Pfund leichter damals. Da war ein Schnappschuss von Stu mit einem Haufen uniformierter Männer, die vor einem Krankenwagen standen, alle hielten Blechbecher in der Hand und hoben sie zu einem
    Trinkspruch in die Luft. Sie alle sahen unter ihren Helmen müde uns geisterhaft aus, und sie trugen schwere Splitterschutzwesten, an die Ausrüstung festgeschnallt war, die aussah, als würde sie 100 Pfund wiegen. Und worauf stießen sie an, fragte sich Reggie. Dass sie endlich aus Vietnam rauskamen? Auf das Leben, das danach kommen würde, dachte sie, als sie auf die anderen Fotos blickte – die Ehefrau, den Sohn, das kleine grüne Haus, die Beförderung zum Detective?
    »Er hat also ein Büro hier? Können wir einen Blick hinein werfen?«, fragte Tara und tat ihr bestes, gleichgültig zu klingen.
    Charlie schüttelte den Kopf. »Auf keinen Fall. Mein Dad würde mich erschießen. Außerdem ist es immer abgeschlossen.«
    Tara machte ein saures Gesicht. »Wir könnten versuchen, es zu knacken. Wenn es ein einfaches Schloss ist, könnte ich es vielleicht mit einer Haarklammer schaffen.« Sie fing an, ihre Tasche zu durchsuchen. »Ich bin sicher, dass ich irgendwo hier drin eine habe.«
    Reggie dachte daran, wie Tara in Andrea McFerlins Haus gegangen war. War die Hintertür wirklich offen gewesen, oder hatte Tara das Schloss geknackt? Der Schnitt an ihrem Bein verursachte einen stechenden Schmerz, und sie rieb durch ihre Jeans daran, blickte zu Tara hinüber, erinnerte sich an die kreuz und quer verlaufenden Linien aus Narben auf Taras Bein.
    »Ist das der Grund, warum du hergekommen bist?«, knurrte Charlie. »Um das Zeug meines Vaters zu durchsuchen?«
    Tara schloss ihre Tasche und schüttelte den Kopf. »Nee, wir sind gekommen, weil wir dich vermisst haben. Jetzt hör auf, dich wie ein paranoider Spasti zu benehmen.«
    »Tja, das mit dem Büro kannst du vergessen«, sagte Charlie. »Er hat ein riesiges Vorhängeschloss an der Tür.«
    »Vielleicht …«, fing Tara an zu sagen.
    Charlie unterbrach sie, seine Augen blitzten vor Wut. »Auf keinen Fall. Ich werde es dich nicht einmal probieren lassen.«
    »Gut«, sagte Tara. »Wie auch immer.«
    Sie schwiegen alle einen Augenblick lang. Tara klopfte mit ihren abgeplatzten blauen Nägeln an ihre Coladose. Sie wippte mit ihren Beinen auf und ab, war nicht in der Lage stillzuhalten.
    »Ich weiß«, sagte Tara, ihr Körper war für einen Moment ruhig. »Lasst uns ein Spiel spielen. Schließ deine Augen, Charlie.«
    Er starrte sie ein paar Sekunden lang an, dann schloss er seine Augen.
    »Guter Junge«, sagte Tara. »Halt sie schön fest geschlossen.« Tara glitt von der Couch und ging hinüber zu der Stelle, wo Reggie saß. Sie legte einen Finger auf ihre Lippen, sch!, dann spreizte sie Reggies Beine und beugte sich vor, und für eine halbe Sekunde dachte Reggie, Tara würde sie küssen. Stattdessen schenkte sie ihr ein schiefes Lächeln – ein Wir-teilen-ein-großes-Geheimnis-Lächeln – und legte ihre Hände sanft um Reggies Hals. Reggie blickte auf, mit einem Was-zur-Hölle-Blick, und Tara formte lautlos mit den Lippen: Ist schon in Ordnung. Vertrau mir.
    »Öffne deine Augen, Charlie«, sagte sie.
    »Tara was …«
    »Ich bin Neptun«, sagte Tara und verstärkte ihren Griff um Reggies Hals. Das Lächeln war

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