Das 500 Millionen Komplott (German Edition)
welchen Zeitabständen sie sich melden würde. Es könnte Tage, Wochen, Monate dauern oder eine Unendlichkeit.
Grabowski nahm den Wohnungsschlüssel aus dem Kuvert und betrachtete diesen nachdenklich. Es war nur eine geringe Chance, Licht ins Dunkel zu bringen, aber er war entschlossen,sie zu nutzen. Hastig verließ er seine Kanzlei, um in Svetlanas Wohnung nach dem Rechten zu sehen und zu hoffen, Anhaltspunkte über ihren Aufenthaltsort oder ihr Schicksal zu finden.
Würde Grabowski auf etwas ganz anderes als das Erhoffte stoßen? Mental bereitete er sich auf das Schlimmste vor. Obwohl er auf alles gefasst war, fiel es ihm schwer, die Tür aufzusperren. Er fröstelte, als er den Schlüssel in das Schloss steckte und vorsichtig herumdrehte. Für einen Moment kam er sich vor wie jemand, der dabei war, in die Privatsphäre eines Menschen einzudringen. In gewisser Weise tat er es ja auch. Zunächst öffnete er die Tür nur einen Spalt und rief Svetlanas Namen, gleichwohl ihm bewusst war, wie sinnlos dies war. Erwartungsgemäß blieb eine Antwort aus.
Vorsichtig betrat er den Korridor, wobei seine Blicke unwillkürlich den Fußboden nach möglichen Blutspuren absuchten. Hinter jeder Tür befürchtete er, Svetlanas Leiche zu finden. Doch es war unerwartet anders. Es gab keine Tote und die Wohnung vermittelte zudem keineswegs den Eindruck einer überstürzten Abreise. Alles war pedantisch aufgeräumt und die Möbel waren mit großen Tüchern abgedeckt. Selbst der Kühlschrank war leer und ausgeschaltet. An seiner Tür war mit einem Magneten ein Foto angeheftet. Es zeigte Floyd, Svetlana und Grabowski vor einem Schrebergarten, darauf stand handschriftlich: Sommerfest in Adrians Gartenlaube.
Die Szenerie war gespenstisch. Offensichtlich hatte Svetlana ihr Verschwinden sehr sorgfältig geplant. Aber weshalb dann diese Aufzeichnungen, die eher den Eindruck einer panikartigen Handlung vermittelten? Grabowski war ratlos. Nichts passte zusammen.
Obwohl er sich in der Wohnung auskannte und ihm alles vertraut war, empfand er Unbehagen. Es war eine Situation, in der man gerne feststellte, dass etwas nicht stimmte. So war es ja auch oder wie sollte man es sonst nennen, wenn ein Mensch binnen kurzer Zeit einen derartigen Einschnitt in sein Leben erfährt? Grabowski schloss selbst eine Suizidgefährdung nicht aus. Er kannte Svetlana zwar als äußerst standhaften und keineswegs sensiblen Menschen, doch wie schnell konnte sich das Blatt wenden?
War es zu naiv gedacht, irgendwelche Hinweise zu finden? Sie war verschwunden und hatte offensichtlich ihre Spuren penibel verwischt. Grabowski dachte daran, die Fluggesellschaften anzurufen. Vielleicht stand sie auf einer Passagierliste, doch er verwarf diese Idee, denn ihm würde aus Gründen des Datenschutzes sowieso jede Auskunft verweigert werden. Es blieb nur abzuwarten, bis Svetlana sich von irgendwoher melden würde, sofern sie noch lebte.
»Ich wünsche dir viel Glück, wo auch immer du gerade bist«, flüsterte Grabowski, als er die Wohnungstür verschloss und den Schlüssel in seine Jacketttasche fallen ließ. Mehr konnte er im Moment nicht tun. Er nahm sich vor, in der Kanzlei noch einmal ihre Aufzeichnungen zu lesen, noch sorgfältiger, als er es sowieso schon getan hatte. Vielleicht gab es etwas, was er bisher übersah, vielleicht einen versteckten Hinweis. Einen winzigen Anhaltspunkt musste es einfach geben. Grabowski wollte nichts unversucht lassen und selbst dem kleinsten Indiz Aufmerksamkeit schenken.
Wenig später saß er hinter seinem Schreibtisch und las zum x-ten Mal die Seiten. Obwohl er Svetlanas Aufzeichnungen schon fast auswendig kannte, erschütterten sie ihn
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