Das 500 Millionen Komplott (German Edition)
in den nächsten Briefkasten zu werfen. Vorher schrieb sie noch in Großbuchstaben zwischen Absender und Anschrift quer über das Kuvert: Vertraulich – Nur von Rechtsanwalt Grabowski persönlich zu öffnen. Kaum hatte sie dies geschrieben, wurde ihr bewusst, wie durcheinander sie war. Gerade erst hatte sie Grabowski aufgefordert, das Material gegebenenfalls zu veröffentlichen und nun schrieb sie ›Vertraulich‹ auf den Umschlag. Egal, Grabowski würde zweifellos das Richtige entscheiden.
Was Svetlana zu diesem Zeitpunkt nicht wissen konnte: Sie traf eine folgenschwere Entscheidung.
Ein sonderbarer Auftrag, dachte Grabowski, als er einige Tage später wiederholt die abgetippten Aufzeichnungen las.Fassungslos und mit versteinerter Miene versuchte er zu verstehen, was geschehen sein mochte. Er kannte Floyd lange genug, um zu wissen, dass sich sein Verhalten in letzter Zeit geändert hatte. Er wusste aber auch, dass er daran nicht ganz unschuldig war. Niemals hatte er damit gerechnet, dass ausgerechnet Floyd in diese Angelegenheit verwickelt würde und noch viel weniger mit Svetlanas Entschlossenheit, der Sache auf den Grund zu gehen. Das Problem wurde dadurch noch viel größer.
Ein Stück weit überlegte Grabowski, ob jemand Svetlana zu diesen Zeilen gezwungen haben könnte. Doch er verwarf diesen Gedanken, als er sich vor Augen führte, dass sie ihren eigenen Kopf hatte und erst aufgeben würde, wenn sie das letzte Detail wüsste.
In seiner Praxis hatte Grabowski gewiss viel erlebt, aber dies übertraf alles. Er sorgte sich sogar um Floyds Freundin, was durchaus berechtigt war. Svetlana befand sich in akuter Lebensgefahr und niemand wusste, wo sie sich zur Stunde aufhielt. Grabowski versuchte nicht daran zu denken, Svetlana könne längst ein weiteres Opfer in diesem ungeheuerlichen und skrupellosen Machtspiel geworden sein.
Kurz entschlossen griff er zum Telefon und wählte eine Nummer im Polizeipräsidium. Es gab dort einen Hauptkommissar, der ihm noch einen Gefallen schuldig war.
»Rechtsanwalt Grabowski. Sie erinnern sich?«, begann er das Gespräch, als sich der Hauptkommissar meldete.
»Selbstverständlich«, antwortete der Kriminalbeamte, »was kann ich für Sie tun?«
»Nur eine Kleinigkeit. Gab es in den letzten 48 Stunden einen Mord an einer jungen Frau?«
»Was wollen Sie damit sagen? Wissen Sie schon wieder mehr als die Polizei?«, fragte der Kommissar gelassen.
»Es geht um eine sehr gute Freundin, die seit mehreren Tagen verschwunden ist. Ich habe berechtigte Sorge, es könne ihr etwas zugestoßen sein.«
»Wurde schon eine Vermisstenanzeige aufgegeben?«, wollte der Polizist routinemäßig erfahren.
»Woher soll ich das wissen? Bitte – gab es einen Mord oder nicht?« Grabowski wurde ungeduldig, was durchaus eine Schwäche von ihm war.
»Herr Grabowski, Sie wissen doch ganz genau, dass ich Ihnen nichts sagen darf.«
»Ich möchte doch gar keine Details wissen, erst recht nicht zu einem eventuell laufenden Verfahren. Sagen Sie mir bitte lediglich, ob ein Mord gemeldet wurde oder nicht.«
»Sie geben ja doch keine Ruhe. Definitiv nicht, jedenfalls wurde in den letzten 48 Stunden nichts dergleichen aktenkundig.«
»Dann bin ich beruhigt«, sagte Grabowski erleichtert und hängte ein, bevor der Hauptkommissar nachhaken konnte.
Es war also kein Mordopfer zu beklagen. Sollte Grabowski wirklich beruhigt sein? Vielleicht wurde Svetlanas Leiche nur noch nicht gefunden. Grabowski musste etwas unternehmen. Unmöglich konnte er in seiner Kanzlei sitzen und abwarten, bis er ein Lebenszeichen von Svetlana erhalten würde. Svetlana hatte in ihrem Brief nicht geschrieben, in
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