Das 500 Millionen Komplott (German Edition)
immer mehr. Er konnte nicht fassen, welchem Wahnsinn sie aufdie Spur gekommen war. Bis jetzt hielt Grabowski so etwas für unmöglich, doch nun wusste er, wie sehr er sich täuschte. Es wäre wohl zu naiv gedacht anzunehmen, nichts könnte bei der weltumspannenden Informationskette durchsickern und Menschen in die Hände fallen, die besser von alledem niemals etwas erfahren sollten.
Bis jetzt funktionierte alles perfekt – bis jetzt. Das Volk wurde durch tägliche Meldungen über Eurokrise, drohender Kriegsgefahr im Nahen Osten und nicht zuletzt das Säbelrassen der Nordkoreaner abgelenkt. Und das war gut so.
Die Welt stand vor dem Abgrund, da machte sich Grabowski nichts vor. Er konnte sich nicht erinnern, jemals von einem Skandal gleicher Tragweite gehört zu haben. Dagegen erschienen die Auswirkungen aller Katastrophen der letzten Jahrzehnte, wie Tschernobyl, Fukushima, Tsunamis und Erdbeben, geradezu als Bagatelle. Es waren zudem Naturkatastrophen oder Unfälle, doch was hier geschah, war alles andere als ein Unglück. Von einem Verbrechen an der Menschheit zu sprechen, das jeder Beschreibung spottete, traf die Sache viel eher und ohne jede Übertreibung.
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Kurz zuvor.
Es war einer jener Tage, die von Ausgelassenheit geprägt waren. Entsprechend war die Stimmung, noch bevor der Festumzug den Marktplatz erreichte. Kinder drängelten voller Vorfreude in die vordersten Reihen, wo sie sich darauf vorbereiteten, möglichst viele Karamellbonbons aufzufangen, die in den nächsten zwei Stunden auf die Menge herniederprasseln würden. Die Erwachsenen hingegen freuten sich auf die Motive der Wagen. Das Motto war die Eurokrise, vermischt mit willkürlichen Themen oder einfach nur fantasievoll geschmückter Festwagen.
Die Kinder kreischten vor Glück, als sie ein paar Meter weiter einen Polizei-Oldtimer mit Blaulicht entdeckten, der in Abständen für einen kurzen Moment das Martinshorn einschaltete. Es dauerte nur noch wenige Minuten, bis die ersten Wagen den Marktplatz erreichten. Ein Gemisch aus Jubel, Musik und sonstigen Volksfestgeräuschen lag in der Luft. Eine junge Frau malte mit ihrem Lippenstift ein rotes Herz auf die Wange eines Polizisten, der es widerstandslos mit sich geschehen ließ. In gewisser Weise herrschte im positiven Sinne Ausnahmezustand, wie jedes Jahr zur Karnevalszeit.
Von einem der vorbeziehenden Wagen wurde eine Pappmascheekanone abgefeuert und ließ Konfetti regnen. Im Anschluss zogen Schornsteinfeger vorüber und warfen blank polierte Glückspfennige in die Menge. Auch dies wareine alljährliche Tradition und es wurde immer mehr darüber gerätselt, woher sie mehr als ein Jahrzehnt nach der Euro-Einführung noch so viele Pfennigstücke hatten. Sicherlich war es kein Zufall, dass gleich danach überdimensionierte Figuren der Bundeskanzlerin und des Finanzministers bemüht waren, die Stücke einer zerbrochenen Euromünze zusammenzukleben. Die Zuschauer grölten und ließen sich nicht mehr bremsen, als auch noch ein Wagen mit einem eurofressenden Monster, gehüllt in eine griechische Nationalflagge, vorbeizog. Unterdessen waren Kinder damit beschäftigt, unzählige Bonbons aufzusammeln.
Allmählich erreichte die Stimmung ihren Höhepunkt. Auch Svetlana war ausgelassen, die sich gerade über das viele Konfetti amüsierte, das sich im schwarzen Haar ihres Freundes verfing. Sie schnippte zwei, drei heraus und gab ihm einen liebevollen Kuss. Floyd schien es gar nicht zu bemerken, denn er jubelte bereits dem nächsten Wagen zu.
»Das gefällt dir wohl, was?«, rief Svetlana. Obwohl sie dicht neben Floyd stand, musste sie
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