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Das 6. Buch des Blutes - 6

Das 6. Buch des Blutes - 6

Titel: Das 6. Buch des Blutes - 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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erzählen. Der Interviewer wiederholte die Frage.
    Schließlich antwortete der Seemann zögernd: »Ich habe zur Yacht zurückgeschaut«, sagte er, »und jemanden an Deck gesehen. «
    Der Interviewer war nicht sicher, ob er richtig gehört hatte, und fragte nach: »Jemanden an Deck?«
    »Ganz recht«, antwortete Maybury. »Es war jemand da. Ich habe ganz deutlich eine Gestalt gesehen, die sich bewegte.«
    »Haben Sie… haben Sie diesen blinden Passagier erkannt?«
    lautete die nächste Frage.
    Mayburys Gesicht wurde verschlossen, da er spürte, daß seine Geschichte mit gelindem Sarkasmus behandelt wurde.
    »Wer war es?« drängte der Interviewer.
    »Ich weiß nicht«, sagte Maybury. »Der Tod, nehme ich an.«
    Dem Fragenden fehlten vorübergehend die Worte. »Aber selbstverständlich sind Sie dann doch zum Boot zurückgekehrt?«
    »Selbstverständlich. «
    »Und es war niemand zu sehen?«
    Maybury sah den Interviewer an und machte ein verächtliches Gesicht. »Ich hatte überlebt, oder nicht?« sagte er.
    Der Interviewer murmelte irgend etwas. Es war klar, daß er das Argument nicht verstand.
    »Ich bin nicht ertrunken«, sagte Maybury. »Ich hätte sterben können, wenn ich gewollt hätte. Ich hätte das Seil lösen und er-trinken können.«
    »Aber Sie sind nicht ertrunken. Und am nächsten Tag…«
    »Am nächsten Tag kam Wind auf.«
    »Eine außergewöhnliche Geschichte«, sagte der Interviewer, erleichtert darüber, daß der schlüpfrigste Teil der Unterhaltung jetzt überwunden war. »Sie müssen sich darauf freuen, zu Weihnachten wieder bei Ihrer Familie zu sein…«
    Elaine hörte den abschließenden Abtausch von Nettigkeiten nicht. Ihre Phantasie hing nur an einem dünnen Seil in dem Zimmer, in dem sie saß; ihre Finger spielten mit dem Knoten.
    Wenn der Tod ein Schiff in den Weiten des Pazifiks finden konnte, wieviel leichter mußte es ihm fallen, sie zu finden.
    Möglicherweise neben ihr zu sitzen, während sie schlief. Sie zu beobachten, wenn sie ihrem Kummer nachgab. Sie stand auf und schaltete den Fernseher aus. Plötzlich war es still in der Wohnung. Sie erforschte das Schweigen ungeduldig, aber es beinhaltete nicht die Spur eines Besuchers, willkommen oder nicht.
    Während sie lauschte, konnte sie Salzwasser schmecken.
    Das Meer, zweifellos.
    Sie hatte mehrere Unterschlupfe für ihre Rekonvaleszenz angeboten bekommen, als sie aus dem Krankenhaus kam. Ihr Vater lud sie nach Aberdeen ein, ihre Schwester Rachel forderte sie mehrmals auf, ein paar Wochen in Buckinghamshire zu verbringen, sogar ein mitleidiger Anruf von Mitch, in dem er von ihren gemeinsamen Ferien sprach. Sie hatte alle abgelehnt und ihnen gesagt, daß sie den Rhythmus ihres früheren Lebens so bald als möglich wiederherstellen wollte; wieder an die Arbeit zurückkehren, zu ihren Kollegen und Freunden. Tatsächlich waren die Gründe schwerwiegender gewesen. Sie hatte das Mitgefühl der anderen gefürchtet, hatte Angst gehabt, sie würde sich zu sehr von ihrer Zuneigung einlullen lassen und rasch von ihnen abhängig werden. Ihre Neigung zur Unabhängigkeit, die sie in diese unfreundliche Stadt geführt hatte, war einstudierter Trotz gegen ihren verzehrenden Hunger nach Sicherheit. Wenn sie sich diesen liebevollen Anträgen fügte, würde sie, das wußte sie genau, in häuslichem Boden Wurzeln schlagen und vor Ablauf eines Jahres nichts anderes mehr sehen. Und welche Abenteuer könnten in dieser Zeit an ihr vorübergehen?
    Statt dessen war sie wieder arbeiten gegangen, sobald sie sich dazu imstande fühlte, und hatte gehofft, daß die vertraute Routine ihr helfen würde, wieder ein normales Leben auf-zubauen, obwohl sie nicht alle ihre früheren Verantwortlichkeiten übernommen hatte. Aber der Taschenspielertrick war nicht durch und durch erfolgreich. Alle paar Tage geschah etwas – sie hörte eine Bemerkung mit oder sah einen Blick, der nicht für sie bestimmt war –, das ihr deutlich machte, sie wurde mit einstudierter Vorsicht behandelt; daß ihre Kollegen der Meinung waren, ihre Krankheit hätte sie auf grundlegende Weise verändert. Das hatte sie wütend gemacht. Am liebsten hätte sie ihnen ihren Argwohn ins Gesicht gespuckt; ihnen gesagt, daß sie und ihr Uterus keine Synonyme waren und daß die Entfernung des einen kein Schwinden des anderen zur Folge hatte.
    Aber heute, als sie wieder ins Büro ging, war sie nicht mehr so sicher, ob sie nicht doch recht hatten. Ihr war zumute, als hätte sie wochenlang nicht mehr geschlafen,

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