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Das 6. Buch des Blutes - 6

Das 6. Buch des Blutes - 6

Titel: Das 6. Buch des Blutes - 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Bernstein ebenfalls. Er war nicht klüger als am Anfang, davon abgesehen, daß er noch einmal die Lektion gelernt hatte, die ihn schon die Wyckoff Street lehrte: Wenn man es mit der Unterwelt zu tun hatte, war es besser, niemals den eigenen Augen zu trauen. Sobald man sich auf seine Sinne verließ, sobald man glaubte, daß ein Tiger ein Tiger war, gehörte man schon halb ihnen.
    Keine schwierige Lektion, aber es schien, als hätte er sie einfach vergessen, wie ein Narr, und zwei Menschen hatten sterben müssen, um sie ihm erneut beizubringen. Vielleicht wäre es einfacher, sich die Regel auf den Handrücken tätowieren zu lassen, damit er nicht auf die Uhr sehen konnte, ohne ständig daran erinnert zu werden: Traue niemals deinen Augen.
    Dieses Prinzip hatte er immer noch frisch im Kopf, als er zu seiner Wohnung zurückschlenderte und ein Mann aus einer Tür trat und sagte: »Harry.«
    Er sah aus wie Valentin, ein verwundeter Valentin, ein Valentin, der zerstückelt und von einer Gruppe blinder Chirurgen wieder zusammengenäht worden war, aber im wesentlichen derselbe Mann. Doch der Tiger hatte auch wie ein Tiger ausgesehen, oder nicht? »Ich bin es«, sagte er.
    »O nein«, entgegnete Harry. »Diesmal nicht.«
    »Wovon sprechen Sie? Ich bin es, Valentin. «
    »Dann beweisen Sie es.«
    Der andere Mann sah verwirrt drein. »Wir haben keine Zeit für Spiele«, sagte er. »Wir sind in einer verzweifelten Lage.«
    Harry holte den 38er aus der Tasche und zielte auf Valentins Brust. »Beweisen Sie es, oder ich erschieße Sie«, sagte er.
    »Haben Sie den Verstand verloren?«
    »Ich habe gesehen, wie Sie in Stücke gerissen worden sind.«
    »Nicht ganz«, erwiderte Valentin. Sein linker Arm war von den Fingerspitzen bis zur Mitte des Bizeps behelfsmäßig verbunden. »Es war knapp…« sagte er, »… aber alles hat seine Achillesferse. Es kommt nur darauf an, die richtige Stelle zu finden.«
    Harry sah den Mann an. Er wollte glauben, daß dies tatsächlich Valentin war, aber es war kaum zu glauben, daß die zerbrechliche Gestalt vor ihm den Angriff des Monstrums überlebt haben konnte, das er auf der Dreiundachtzigsten Straße gesehen hatte. Nein, dies war wieder eine Illusion. Wie der Tiger: Papier und Bösartigkeit.
    Der Mann unterbrach Harrys Gedankenwelt. »Ihr Steak…«
    Er verstummte. »Mein Steak?«
    »Sie mögen es fast verbrannt«, fuhr Valentin fort. »Ich habe Einwände erhoben, erinnern Sie sich?«
    Harry erinnerte sich.
    »Weiter«, sagte er. »Und Sie haben gesagt, Sie könnten kein Blut sehen. Auch wenn es nicht Ihr eigenes ist.«
    »Ja«, sagte Harry. Seine Zweifel schwanden. »Das stimmt.«
    »Ich sollte beweisen, daß ich Valentin bin. Besser kann ich es nicht.« Harry war fast überzeugt. »In Gottes Namen«, sagte Valentin, »müssen wir uns hier auf der Straße darüber unterhalten?«
    »Also, kommen Sie schon herein.«
    Die Wohnung war klein, aber heute schien sie erstickender denn je. Valentin setzte sich so, daß er die Tür im Auge behalten konnte. Er lehnte Alkohol oder Erste Hilfe ab. Harry nahm sich einen Bourbon. Er war beim dritten angelangt, als Valentin schließlich sagte: »Wir müssen in das Haus zurück, Harry.«
    »Was?«
    »Wir müssen Swanns Leichnam vor Butterfield bekommen.«
    »Ich habe schon mein Bestes getan. Das ist nicht mehr meine Sache.«
    »Also wollen Sie Swann der Grube überlassen?« fragte Valentin.
    »Sie kümmert sich nicht darum, warum sollte ich es tun?«
    »Sie meinen Dorothea? Sie hat keine Ahnung, in was Swann verwickelt war. Darum ist sie so vertrauensselig. Sie vermutet vielleicht etwas, aber sofern es möglich ist, an alldem schuldlos zu sein, ist sie es.« Er hielt inne, um die Stellung seines verletzten Arms zu verändern. »Sie war eine Prostituierte, wissen Sie.
    Ich nehme nicht an, daß sie Ihnen das gesagt hat. Swann hat einmal zu mir gesagt, er habe sie geheiratet, weil nur Prostituierte den Wert der Liebe zu schätzen wissen.«
    Harry ging nicht auf dieses offensichtliche Paradoxon ein.
    »Warum ist sie bei ihm geblieben?« fragte er. »Er war nicht gerade treu, oder?«
    »Sie liebte ihn«, antwortete Valentin. »Das ist nichts Ungewöhnliches.«
    »Und Sie?«
    »Oh, ich habe ihn auch geliebt, obwohl er so dumm war.
    Darum müssen wir ihm helfen. Wenn Butterfield und seine Handlanger Swanns sterbliche Überreste in die Finger bekommen, wird die Hölle los sein.«
    »Ich weiß. Ich konnte mir kurz die Bernstein-Wohnung anschauen. «
    »Und was haben Sie

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