Das 8. Gestaendnis
Sauerstoffflasche hervor und schoben eine Kanüle in eines von Rose Glenns Nasenlöchern.
Paul Chi sprach weiter. Mit ruhiger Stimme bat er die Sanitäter: »Ich brauche nur noch einen Moment.« Dann wandte er sich an das Opfer: »Rose. Rose. War es Ihre Tochter Stacey? Hat sie Sie überfallen?«
Die Frau nickte.
»Rose, wollen Sie damit sagen, dass Ihre Tochter Stacey Ihnen das angetan hat?«
Die Frau gab ein keuchendes »Jaahhhh« von sich.
Es hörte sich grässlich an. Die Luft entwich aus ihren Lungen,
als würde sie Chi mit ihrem letzten Atemzug die Identität ihres Mörders verraten.
Und dann, auf Colomellos Kommando, hoben die Sanitäter Rose Glenn auf die Trage. Die Befragung war zu Ende.
Die Leinwand wurde dunkel, und das Licht im Gerichtssaal ging an. Die Geschworenen hatten das Video schon einmal gesehen, aber da es den krönenden Abschluss von Yukis Argumentationskette bildete, konnte sie nur hoffen, dass es seine erschütternde Wirkung erneut entfalten würde.
Yuki räusperte sich und sagte: »Meine Damen und Herren. Rose Glenn hat an diesem Morgen zahlreiche Fragen gestellt bekommen. Sie war in der Lage, diese Fragen mit Ja oder Nein zu beantworten, sie war sogar in der Lage zu sprechen. Auf die Frage, ob es sich bei dem Aggressor um ihre Tochter gehandelt hat, hat sie mit Ja geantwortet .
Zu keinem Zeitpunkt im Verlauf dieses Prozesses hat Rose Glenn die Worte zurückgenommen, die sie gegenüber Inspektor Chi ausgesagt hat. Sie kann sich schlicht und einfach nicht mehr an das Geschehene erinnern.
Und warum kann sie sich nicht mehr erinnern? Weil ihre Tochter ihr mit einem Stemmeisen den Schädel eingeschlagen und ihr dadurch so schwerwiegende Verletzungen zugefügt hat, dass sie beinah nicht überlebt hätte.
Aber Rose Glenn hat überlebt - verwitwet, entstellt und teilweise gelähmt.
Das alles, meine Damen und Herren, ist das Werk der Angeklagten .
Daher bitte ich Sie im Namen des Volkes, Stacey Glenn in beiden Anklagepunkten für schuldig zu befinden: für den Mord an ihrem Vater, Anthony Glenn, und für den Mordversuch an ihrer Mutter, Rose Glenn. Bitte sorgen Sie dafür, dass Stacey Glenn für diese Verbrechen die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommt.«
Als Yuki sich setzte, empfand sie mehrere Dinge gleichzeitig, und alle waren gut: das wohlige Gefühl, etwas erreicht zu haben, Nickys Schulterklopfen und die Gegenwart ihrer Mutter, die ihren ganzen Körper zu umfangen schien.
»Gut gemacht, Yuki-eh«, sagte ihre Mutter. »Hast du Tol geschossen.«
15
Philip Hoffman hatte im Angesicht der Geschworenen kein einziges Mal die Fassung verloren. Er hatte die Zeugen der Anklage mit Respekt behandelt und hatte nie mehr Aufhebens um eine Sache gemacht, als notwendig gewesen war. Er war sich sicher, dass die Geschworenen ihn mochten und ihm vertrauten, und er baute darauf, dass dieses gute Gefühl sich auch auf seine Mandantin übertrug.
»Leute«, sagte er und ragte wie ein Turm hinter dem Stehpult auf, das in seinem Schatten wie ein winziges Spielzeug wirkte. »Stacey Glenn ist eine nette junge Frau, die noch nie im Leben irgendjemandem etwas zuleide getan hat. Sie liebt ihre Eltern, und als Rose Glenn unter größter psychischer und physischer Belastung hier vor Ihnen aufgetreten ist, da hat sie Ihnen bestätigt, dass Stacey nicht den geringsten Hang zur Gewalttätigkeit in sich trägt. Dass Stacey niemals ihren Vater oder sie selbst angegriffen hätte.
Sie haben Rose Glenn sagen hören, wie todunglücklich sie darüber ist, dass sie im Angesicht des Todes etwas gesagt oder getan hat, was als Aussage gegen ihre eigene Tochter fehlinterpretiert werden konnte.«
Hoffman schüttelte den Kopf, ließ seine Notizen auf dem Stehpult liegen und trat vor die Geschworenenbank. Dann verschränkte er die Arme hinter dem Rücken und blickte die Geschworenen mit seinen dunklen Augen der Reihe nach an.
»Die Anklagevertretung hat dieses Video vom Schauplatz des Verbrechens hier gezeigt, um Sie emotional aufzuwühlen, weil sie nämlich sonst absolut gar nichts in den Händen hat. Und dieser Film, so bewegend er auch sein mag, ist kein Beweis
dafür, dass Stacey Glenn irgendeine Straftat begangen hat.«
Hoffman rief den Geschworenen noch einmal den Prozessverlauf ins Gedächtnis, zitierte die beiden Neurologen und den Psychiater, die ausgesagt hatten, dass Rose Glenn während der Befragung durch Inspektor Chi unter Schock gestanden habe und dass ihre Antworten daher nicht die geringste
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