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Das 9. Urteil

Das 9. Urteil

Titel: Das 9. Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
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unserem Streifenwagen und wartete auf mich. Kaum hatte ich die Tür zugeknallt, jagten wir schon davon – mit Vollgas, blinkenden Lichtern, heulender Sirene und Spuren von verbranntem Gummi auf dem Asphalt.
    Über den ganzen Lärm hinweg rief Conklin mir zu: »Und das alles mitten in der Stadt. Dieser Typ traut sich was.«
    »Mitten in der Stadt macht er’s am liebsten. Der Kerl ist ein Terrorist. Und noch dazu ein verdammt guter.«
    Da ahnte ich noch nicht, wie recht ich behalten sollte.

38
    Ich schwöre, Conklin brachte den Wagen innerhalb von drei Sekunden auf dreifache Schallgeschwindigkeit. Ich krallte mich ans Armaturenbrett, während der Crown Vic die Leavenworth Street entlangröhrte, durch die Achterbahnstraßen unserer Stadt jagte, Steigungen, Abhänge und Haarnadelkurven bewältigte und dabei meine Eingeweide durcheinanderwirbelte.
    Wenn ich nicht gerade damit beschäftigt war, nur durch die konzentrierte Kraft meiner Gedanken das Lenkrad zu bedienen, dachte ich an den Lippenstift-Killer. Er war nicht einfach nur krank.
    Er war wahnsinnig .
    Er hatte schon vier Menschen umgebracht … und jetzt vielleicht noch mehr. Seine Signatur war nicht zu entschlüsseln und daher ohne jede Bedeutung. Wie sollten wir sein Verhalten vorhersehen, wenn wir gar nicht wussten, worauf er hinauswollte?
    Am Fuß eines Hügels riss Conklin das Lenkrad herum, und wir steckten vor einer Kreuzung im Stau. Ich wäre am liebsten ausgestiegen, um auf den Autodächern Schlagzeug zu spielen, bis die Straße wieder frei war, doch stattdessen brüllte ich in den Lautsprecher: »Fahren Sie beiseite! Machen Sie die Straße frei, sofort!«
    Wir fuhren an und hielten, während die Autos vor uns irgendwie versuchten, uns Platz zu machen. Wertvolle Sekunden verstrichen, bis wir den Stau hinter uns gelassen hatten. Wenige Minuten später lenkte Conklin unser Auto zwischen eine kleine Herde Streifenwagen vor dem Parkhaus am Union Square. Noch bevor er die Handbremse gezogen hatte, war ich draußen.
    Wir schoben uns durch die schreckensstarre Menge der Kaufhauskunden, die ihr Auto noch im Parkhaus hatten. Ich erkannte die Angst auf ihren Gesichtern und konnte beinahe hören, was sie dachten: Der Killer war hier. Er hätte auch mich erschießen können.
    Mithilfe meiner Dienstmarke verschaffte ich mir den nötigen Platz, trug mich ins Dienstprotokoll ein und ließ mich von Officer Sobrero mit den neuesten Informationen füttern.
    »Schon wieder ein Déjà-vu«, sagte Joe. »Es ist im dritten Stock passiert. Die Fahrstühle haben wir lahmgelegt.«
    Conklin hielt das Absperrband hoch, wir duckten uns darunter hindurch und betraten das kühle Parkhaus. Im Erdgeschoss gab es eine ganze Reihe tunnelartiger Zugänge von allen Seiten – aus dem riesigen Macy’s, von Saks, dem Sir Francis Drake Hotel … und alle boten einem Verfolger wunderbare Möglichkeiten, seinen Opfern unauffällig zu folgen.
    Als Conklin und ich auf der spiralförmigen Fahrspur zwischen Reihen parkender Autos nach oben gingen, bereitete ich mich innerlich auf die von Jacobi angekündigte »Horror-Show« vor. Wir trafen ihn im zweiten Stock, im Gespräch mit Chief Anthony Tracchio. Der Polizeichef war kalkweiß im Gesicht, und Jacobis Augen waren nur mehr schmale Schlitze. Beide Männer sahen aus, als hätten sie gerade direkt in den Schlund der Hölle geblickt.
    »Chi und McNeil sind im dritten«, sagte Tracchio, ohne die Lippen zu bewegen. »Die Abendschicht sucht gerade die Umgebung ab. Ich habe das Team erweitert und sämtliche Freiwilligen und praktisch jeden, der mir über den Weg gelaufen ist, mit ins Boot geholt.«
    »Gibt es vielleicht einen Zeugen?«, wollte ich wissen. Es war mehr ein kleiner, unerfüllbarer Wunsch als eine Frage.
    »Nein«, entgegnete Jacobi. »Niemand hat auch nur das Geringste gehört oder gesehen.«

39
    Conklin und ich gingen nach oben, vorbei an den Reihen der schräg geparkten Autos, und meine Angst wurde mit jedem Schritt größer. Als wir schließlich im dritten Stock auf McNeil und Chi trafen, hatte ich ein Gefühl, als würden massenhaft Spinnen meinen Arm hinaufkrabbeln und in meine Nackenhaare kriechen.
    Ich wollte mir die Opfer nicht ansehen, und doch musste ich es tun. Ich zwang meinen Blick zu Boden. Und dort, in einer leeren Parklücke zwischen zwei Autos, lagen die Leichen.
    Die Frau war hübsch gewesen und hatte sich sogar im Tod eine gewisse Anmut bewahrt. Ihr weißer Pullover und das lange braune Haar waren voller Blut, das um

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