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Das 9. Urteil

Das 9. Urteil

Titel: Das 9. Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
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Regale über Regale, alle voll mit Kleidern, ihre auf der einen und seine auf der anderen Seite, dazu ein dreiteiliger, zimmerhoher Spiegel an der Rückwand, einfach alles, was man von einem Wandschrank erwarten konnte … bis auf einen Safe. Wo war er?
    Sarah beeilte sich, suchte hinter Abendroben und strich mit den Fingerspitzen über Sockelleisten und Regalbretter, spürte, wie die Zeit verrann, während sie den gottverdammten Riesenschrank der Morleys inspizierte.
    Sie würde sich verabschieden müssen. Mit leeren Händen.
    Gerade als sie ihre Lampe ausgeschaltet und den Schrank verlassen hatte, hörte sie Schritte auf dem Holzfußboden. Vor dem Schlafzimmer blieben sie stehen. Die Türklinke wurde gedrückt, dann rief eine Männerstimme: »He! Wer hat denn die Tür abgeschlossen?«
    Sarah erstarrte. Sollte sie sich verstecken? In der Dunkelheit zum Fenster stürzen?
    Der Mann rief: »Ich bin’s, Jim. Ich muss mal aufs Klo.« Er lachte, und es klang schon etwas angetrunken. Dann fing er mit deutlich höherer, schmeichlerischer Stimme an zu säuseln: »Hallo, Kitty? Bis’ duuuu das?«
    Sarah blieb fast das Herz stehen. Jim Morley klopfte an seine eigene Schlafzimmertür.
    » He! Aufmachen! «

47
    Sarah hastete zum Fenster, völlig egal, was sich ihr in den Weg stellte. Ihre Hand lag schon auf dem Fensterbrett, da ging eine Tür auf, und Licht fiel ins Zimmer. Morley hatte das Badezimmer vom Nebenzimmer aus betreten. Sein massiger Körper war im Schein der Badezimmerlampe als Silhouette zu erkennen.
    Während er an der Schlafzimmerwand nach dem Lichtschalter tastete, rief er: »Ist da jemand?«
    Sarahs Gehirnwindungen glühten. Ohne Licht konnte sie ihn besser sehen als er sie. Sie musste es riskieren. Frechheit siegt. »Jim«, sagte sie, »kannst du uns bitte alleine lassen?«
    »Laura? Laura, bist du das? O Gott. Tut mir leid. Lasst euch Zeit, du und Jesse. Lasst euch alle Zeit der Welt.«
    Die Badezimmertür wurde zugezogen. Es war wieder stockdunkel. Lasst euch alle Zeit der Welt, hatte Morley gesagt, aber sobald er wieder bei der Party war, würde er Laura und Jesse sehen und Alarm schlagen.
    Es war 21.20 Uhr .
    Sarah hatte den Fuß schon auf dem Fensterbrett, da tauchte vor ihrem geistigen Auge plötzlich ein Bild auf. Sie hatte in aller Eile den Schrank angesteuert, dabei aber immerhin flüchtig ein Gemälde von einem Weizenfeld wahrgenommen, direkt neben dem Bett. War das etwa mit Scharnieren an der Wand befestigt?
    Dreißig Sekunden, mehr nicht, aber da musste sie noch nachsehen.
    Sarah ertastete das Himmelbett neben dem fahlen Schein der Uhr und benutzte es zur Orientierung. Ihre Finger glitten über die Kanten des kleinen Bilderrahmens, und dann zog sie daran.
    Sie stieß kräftig den Atem aus, als das Gemälde aufschwang. Dahinter befand sich eine kühle Metallkiste mit offenem Vorhängeschloss. Sarah handelte schnell. Sie holte die Kiste aus der Wand, stellte sie auf das Bett und klappte den Deckel auf. Dann machte sie ihren Leinenbeutel auf und steckte lauter kleine, ausgebeulte Briefumschläge und Schmuckkästchen aus dem Safe hinein.
    Als der Beutel voll war, zog sie den Reißverschluss zu und stellte die leere Kiste zurück in das Loch in der Wand.
    Jetzt nichts wie los!
    Sie warf einen Blick zum Fenster hinaus und sah einen Mann, der gerade seinen Rottweiler spazieren führte. Er blieb stehen und wechselte ein paar Worte mit dem Parkwärter, dann ging er weiter. Sarah sprang auf das Fensterbrett und drehte sich um, sodass ihr Blick in das Zimmer gerichtet war. Sie legte die Hände auf die Kante zwischen ihren Beinen und ließ sich dann vorsichtig über die Seite nach draußen gleiten. Sie stemmte die Kletterschuhe gegen die Hauswand und ließ sich fallen.
    Ihr Fuß landete in einem Erdloch, und sie verstauchte sich den Knöchel.
    Sarah unterdrückte einen Schrei und biss sich auf die Zähne, verzog das Gesicht zu einer schmerzverzerrten Grimasse. Dann, unter dem Schutz der Wolken, die sich vor den Mond geschoben hatten, humpelte sie durch die Dunkelheit zu ihrem Auto.

48
    Sarah wäre beinahe in Tränen ausgebrochen, so erleichtert war sie, als sie ihren roten Saturn unweit vom Haus der Morleys am Straßenrand stehen sah. Sie stieg ein, zog mit einer einzigen Bewegung die Stirnlampe und die Strickmütze vom Kopf und streifte die Handschuhe ab. Sie stopfte alles in den Leinenbeutel mit dem Schmuck und verstaute ihn unter dem Fahrersitz.
    Dann saß sie in der tröstenden Umhüllung der Nacht

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