Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das 9. Urteil

Das 9. Urteil

Titel: Das 9. Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
Vom Netzwerk:
blendete sie. Der Beamte war wieder da. In der einen Hand hielt er seine Taschenlampe, mit der anderen gab er ihr ihre Papiere zurück.
    »Ihr linkes Rücklicht ist kaputt«, sagte er. »Das muss unverzüglich repariert werden.«
    Sarah entschuldigte sich, mit einer Stimme, die selbst für ihre eigenen Ohren lächerlich schuldbewusst klang, sagte, sie hätte gar nicht gemerkt, dass das Licht kaputt war, versprach, sofort in die Werkstatt zu fahren … und dann war es vorbei. Der Streifenwagen glitt an ihr vorüber, Sarah machte die Fahrertür auf und übergab sich direkt auf die Straße. Anschließend ließ sie sich mit der Stirn gegen das Lenkrad sinken.
    »Danke, Gott«, sagte sie laut.
    Mit immer noch zitternden Händen ließ sie den Motor wieder an und fuhr zum Marina Boulevard. Sie sah kaum auf die Straße, sondern hielt den Blick auf die Golden Gate Bridge mit ihren funkelnden Lichterketten gerichtet. Das war ein Zeichen, diese Halskette aus Lichtern, und Sarahs Optimismus erwachte zu neuem Leben, dieses Mal in Form von Euphorie.
    Sie hatte keinen schwerwiegenden Fehler begangen. Sie war auf die Morleys gut vorbereitet gewesen und hatte einen erstklassigen Raubzug hingelegt, der sie ihrem Ziel ein großes Stück näher gebracht hatte. Und jetzt kam ihr eine brillante Idee.
    Sie wollte nicht nur so schnell wie möglich ihr Rücklicht reparieren lassen, sondern sich auch mit Maury Greens Witwe in Verbindung setzen. Sie würde Mrs. Green ein Angebot unterbreiten, einen Finderlohn, für den Fall, dass sie Sarah Kontakt zu einem anderen Hehler verschaffen konnte.
    Doch schon wurde ihr Kopf von wieder anderen neuen Gedanken bevölkert. Diese Briefumschläge mit Dorian Morleys Alltagsdiamanten. Sie konnte es kaum erwarten nachzusehen, was sie alles aus dem Safe geholt hatte.

50
    Sarah schloss die Tür zu der kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung auf, die sie sich mit ihrem widerlichen, ewig gereizten Ehemann teilte. Einen Augenblick lang blieb sie im Flur stehen und lauschte. Als sie Schnarchen hörte, ging sie ins Wohnzimmer. Der »Terror« hing in seinem braunen Leder-Liegesessel und schlief. Er trug ein Unterhemd und eine Hose, die weit offen stand. Seine karierte und ebenfalls offene Unterhose war deutlich zu sehen.
    Beim Anblick des Pornopärchens, das im Fernseher stumm vor sich hin rammelte, rümpfte sie die Nase und huschte an ihrem Mann vorbei ins Schlafzimmer. Sie machte die Tür zu und legte leise den Riegel vor.
    Erst jetzt hatte sie das Gefühl, dass sie es wagen konnte, einmal tief Luft zu holen. Sie zog die Vorhänge zu und knipste das Deckenlicht an. Dann machte sie ihren Leinenbeutel auf und kippte den Inhalt der Briefumschläge auf das Bettlaken.
    Mit schnellem Atem und leuchtenden Augen machte sie jedes einzelne Päckchen auf und nahm die Preziosen heraus. Diamantene Halsketten ergossen sich daraus wie Bäche aus facettiertem Eis. Sie berührte jedes einzelne juwelengefasste Armband, jede Brosche, jeden Anhänger, jeden Ring mit den Fingerspitzen, überwältigt von ihrer eigenen Kühnheit und gleichzeitig wie hypnotisiert von all diesen herrlichen Kunstwerken.
    Dorian Morley besaß einen wundervollen Geschmack. Die Diamanten-Halsketten waren neu, aber die vielen edel gearbeiteten, antiken Stücke schienen Teil einer persönlichen Sammlung zu sein. Daher fragte sich Sarah, ob Dorian Morley all diese Schätze geerbt oder aber Stück für Stück persönlich gesammelt hatte.
    Zum ersten Mal, seitdem sie angefangen hatte, bei den Reichen zu stehlen, war Sarah klar, dass die Frau, die diese Edelsteine besessen hatte, angesichts des Verlusts in tiefe Trauer stürzen würde.
    Das war für eine Juwelendiebin nicht gerade ein förderlicher Gedanke, und darum verbannte sie ihn wieder aus ihrem Kopf und sagte sich, dass die Morleys dieser Welt Versicherungen und viele andere Möglichkeiten besaßen, während sie und Heidi über keinerlei Absicherung verfügten. Sie konnten sich nur selbst helfen und waren an jedem Tag, den sie bei ihren Ehemännern zubrachten, dem Hass und einem furchtbaren Risiko ausgesetzt.
    Sarah steckte alle Stücke wieder zurück in ihre Umschläge und zog die unterste Schublade ihrer Kommode auf. Sie schob die T-Shirts und Jogginghosen beiseite, hob den dünnen doppelten Boden an und verstaute die Werkzeugtasche darunter.
    Doch bevor sie die Morley-Juwelen ebenfalls hineinpackte, musste sie ihn noch ein Mal sehen. Sie schob die Hand in die hintere rechte Ecke ihres Geheimverstecks und tastete nach

Weitere Kostenlose Bücher