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Das 9. Urteil

Das 9. Urteil

Titel: Das 9. Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
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mit einer Lampe. »O Gott, wer …?«, quietschte sie, bis ihr schlagartig klar wurde, dass sie sich vor ihrem eigenen Spiegelbild erschrocken hatte.
    Sarah, reiß dich zusammen.
    Sie drehte sich um und ließ den Lichtstrahl durch das Zimmer gleiten. Ein matt goldenes Glänzen auf dem Schminktischchen. Sie trat näher und sah Massen von Schmuck auf der warmen Kirschholzfläche liegen.
    Sarah ertrank bereits im Adrenalin, doch der Goldhaufen verlieh ihr zusätzliche Energie. Sie machte den Leinenbeutel auf und schob den Schmuck mit zitterndem Handrücken hinein. Ein paar wenige Stücke, ein Ring und ein Ohrring, fielen auf den Fußboden. Sarah schnappte danach, noch bevor sie zur Ruhe gekommen waren. Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr.
    Sie hatte nur gut drei Minuten gebraucht, um erstklassige Beute zu machen – persönliche Bestleistung. Und jetzt war es an der Zeit zu gehen.
    Sarah trat zum Fenster, ließ sich an der Hauswand hinab, benutzte erneut die Klimaanlage als Trittbrett. Fast schon schwindelig vor Glück schlängelte sie sich zwischen Hecke und Haus hinaus auf die spärlich beleuchtete Straße.
    Sie hatte es geschafft.
    Sie war draußen.
    Sarah riss sich die Stirnlampe vom Kopf und steckte sie in ihre Werkzeugtasche, wandte sich nach rechts, steuerte die nächste Biegung an – und erstarrte. Zu früh gefreut. Sirenen kreischten, und Sarah sah einen Streifenwagen um die Ecke biegen und direkt auf sich zurasen.
    Wie sie entdeckt worden war oder ob die Polizei überhaupt wegen ihr gekommen war, das spielte keine Rolle. Sarah hatte Juwelen im Wert von etlichen hunderttausend Dollar sowie eine Tasche mit Einbruchswerkzeugen bei sich.
    Sie durfte auf keinen Fall geschnappt werden.
    Sie machte kehrt und rannte los, jagte durch den Garten des Hauses, das westlich an Mrs. Kings Villa angrenzte. Sie merkte sich das Kellerfenster, in das sie die Beute warf, genau und rannte weiter. Dann umkurvte sie etwas, was wie ein im Bau befindlicher Gartenschuppen aussah, und ließ ihr Werkzeug in einen Sack mit Bauschutt fallen.
    Ohne ihre Schritte zu verlangsamen, zog Sarah Mütze und Handschuhe aus und warf beides unter eine Hecke. Nur wenige Meter von ihr entfernt hielt eine plärrende Sirene, und eine Stimme rief: »Stehen bleiben! Polizei!«
    Ohne die Lampe konnte Sarah nicht erkennen, wohin sie sich wenden sollte, also ließ sie sich auf die Hacken sinken und drückte sich regungslos an eine raue Hauswand. Suchscheinwerfer schwenkten durch den Garten, erfassten sie jedoch nicht. Funkgeräte knisterten, und Polizisten schrien einander irgendwelche Sätze zu, überlegten, wohin sie geflüchtet sein könnte, und während all dieser unendlich langen Minuten drückte Sarah sich an die Hauswand und unterdrückte den übermächtigen Drang, einfach loszulaufen.
    Als die Stimmen leiser wurden, lief sie quer über eine Rasenfläche voll Kinderspielzeug und gelangte zu einem Metalltor. Sie machte es auf. Der Riegel schepperte. Hinter einer Tür bellte ein großer Hund. Grelle Suchscheinwerfer erwachten zum Leben.
    Sarah umging die Lichtkegel, rannte durch den Schatten und erreichte den nächsten Garten, wo sie so unglücklich über eine Schubkarre stolperte, dass sie den rechten Schuh verlor. Sie tastete in der Dunkelheit danach, konnte ihn aber nicht mehr finden.
    Eine schrille Frauenstimme rief: »Artie, ich glaube, da draußen ist jemand!«
    Mit einem großen Satz übersprang Sarah einen Zaun, hastete weiter und zerrte sich unterwegs den schwarzen Pullover über den Kopf. Sie zog den Saum ihres neongrünen T-Shirts aus der Hose und trat aus dem Schatten auf eine Straße, die ihr völlig unbekannt war.
    Von Übelkeit und Verzweiflung gepackt, streifte sie auch noch den anderen Schuh und ihre Socken ab und warf sie in einen Mülleimer am Fuß einer Garageneinfahrt. Dann machte sie sich mit kontrollierten Schritten auf den Weg nach Norden.
    Irgendwo dort musste ihr Auto stehen.
    Das war der Augenblick, in dem ihr – viel zu spät – ein Licht aufging: Der Schlüsselbund lag in ihrer Werkzeugtasche, und das Portemonnaie hatte sie im Handschuhfach eingeschlossen.
    Sie war meilenweit von zu Hause entfernt, ohne Schuhe und ohne einen Cent in der Tasche.
    Was nun?

81
    Sarah konnte die hell erleuchteten Fenster des Bio-Supermarkts bereits sehen, da hörte sie, wie sich von hinten ein Auto langsam näherte. Es war dunkel. Das Fahrzeug fuhr im Schritttempo hinter ihr her, und seine Scheinwerfer zeichneten ihren Schatten auf den

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