Das 9. Urteil
Zeiten.«
»Drei oder vier Monate, mehr nicht«, erwiderte Dowling. »Hab noch etwas Geduld. Ich habe dir doch gesagt, dass alles gut wird, und das wird es auch. Wir müssen nur warten, bis die ganze Geschichte den Leuten langweilig wird, dann ist alles in Ordnung.«
Conklin verzog den Mund zu einem breiten Grinsen. »Zwei Jahre. Seit zwei Jahren trifft er sich mit ihr. Ist zwar nicht gerade ein eindeutiger Beweis, aber immerhin etwas.«
78
Ich saß bei Yuki im Büro und rief Jacobi an, um ihm zu sagen, dass Marcus Dowling seit zwei Jahren ein Verhältnis mit einer anderen Frau hatte.
»Schnappt ihn euch«, lautete Jacobis Kommentar.
Zusammen mit Conklin fuhr ich zu Caroline Henley. Sie wohnte in einem modernen, zweigeschossigen Haus, nur wenige Querstraßen vom Presidio Boulevard entfernt.
Mrs. Henley kam zur Tür, die blonden Haare zu einem langen Zopf geflochten, schwarze Leggings unter einem blau gestreiften Männerhemd. Gleich neben dem Ehering prangte ein großer Diamantring. Hinter ihr im Wohnzimmer spielten zwei kleine Jungen mit Spielzeugautos.
Ich stellte mich und meinen Partner vor und fragte Mrs. Henley, ob wir hereinkommen und uns mit ihr unterhalten durften. Sie machte die Tür weit auf.
Conklin kann erfahrungsgemäß jede Frau dazu bringen, ihm ihr Herz auszuschütten, also überließ ich, sobald wir in den viel zu plüschigen Polstermöbeln versunken waren, ihm das Feld.
»Marcus Dowling sagt, dass Sie beide sehr gut befreundet seien.«
»Das hat er bestimmt nicht gesagt. Wir sind uns gelegentlich bei der einen oder anderen Cocktailparty über den Weg gelaufen, aber das ist alles.«
»Mrs. Henley, wir wissen von Ihrem Verhältnis«, sagte mein Partner. »Wir möchten lediglich, dass Sie uns bestätigen, wo er zu bestimmten Zeiten gewesen ist. Wir wollen Ihnen bestimmt keine Schwierigkeiten machen. Aber«, fügte er dann nachdenklich hinzu, »wir können natürlich auch noch einmal wiederkommen, wenn Ihr Mann zu Hause ist.«
»Nein, bitte nicht«, sagte sie.
Caroline Henley bat uns zu warten. Sie beugte sich zu den kleinen Jungen hinunter, redete kurz mit ihnen, nahm sie anschließend bei den Händen, brachte sie in ein Zimmer und machte die Tür zu.
Dann kehrte sie an ihren Platz zurück, legte die Hände in den Schoß und sagte zu meinem Partner: »Casey hat ihm die Luft zum Atmen genommen. Sie hat ihn mit ihrer Eifersucht und ihren dauernden Forderungen einfach erstickt. Marc wollte nur noch den richtigen Zeitpunkt abwarten, dann wollte er sich von ihr scheiden lassen – und ich hätte auch Greame verlassen. Wir wollten heiraten. Das ist nicht einfach nur leeres Gerede, das ist die Wahrheit.«
Während Caroline Henley Conklin »die Wahrheit« erzählte, spazierte ich durch das Wohnzimmer. Auf den Tischen, an den Wänden, überall waren Fotos zu sehen, entweder Gruppenfotos mit Caroline Henley in der Mitte oder Aufnahmen von ihr alleine, auf denen sie irgendetwas Winziges trug, womit ihre Figur und ihr wunderschönes Gesicht betont wurden.
Ich fragte mich, warum sie sich zu einem alternden Filmstar hingezogen fühlte, der zwanzig Jahre älter war als sie. Vielleicht verlangte ihre Eitelkeit nach mehr als einem ordinären Börsenmakler.
»Also, wenn ich das alles richtig verstehe, dann haben Sie und Marcus Dowling seit zwei Jahren ein heimliches Verhältnis«, sagte Conklin.
Caroline Henley wirkte wie vom Donner gerührt, als ihr klar wurde, weshalb wir hier waren. »Moment mal. Glauben Sie etwa, dass er etwas mit Caseys Tod zu tun hat? Das ist doch verrückt. Das wüsste ich. Marc wäre gar nicht fähig zu so etwas. Oder? «
Sie schlug die Hände vor den Mund und ließ sie wieder sinken. Beinahe geschmeichelt wandte sie sich an Conklin: »Sie glauben, dass er Casey wegen mir umgebracht hat?«
Als wir wieder im Auto saßen, sagte ich zu meinem Partner: »Könnte doch sein, dass er seine Ehe beenden wollte, aber nicht den Mut hatte, es seiner Frau zu sagen. Und dann taucht plötzlich Kitty in seinem Schlafzimmer auf, du meine Güte. Dowling hätte das selbst gar nicht besser planen können.«
»Und noch ein anderer Aspekt«, sagte Conklin. »Eine Scheidung ist teuer. Aber ein Mord kann ausgesprochen billig sein – solange man nicht erwischt wird.«
79
Sarah Wells hatte ihre nächtliche Arbeitskluft angelegt, schwarze Kleidung, schwarze Schuhe. So war sie unterwegs nach Pacific Heights. Sie blinkte und bog in die Divisadero Street ein, als die Ampel auf Rot sprang. Ein
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