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Das abartige Artefakt

Das abartige Artefakt

Titel: Das abartige Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Aster
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Augen.
    Macht zu haben bedeutete immer, eine Rolle zu spielen. Und er spielte die Rolle eines Zwerges, den die Macht dazu zwang, eine Rolle zu spielen. Das war wirklich eine Herausforderung. Und so wenig Abwechslung wie diese Rolle bot, war Silberkies froh, dass nun einige Zwerge in seine Verliese spaziert waren, die ihn von der monotonen Perfektion seiner Maskerade ablenken würden.
    Sie forderten ihn. Und zwischen Rapport, Gefangenenzählen, Essensausgabe und der ein oder anderen Bestechung war das tatsächlich eine dankbare Abwechslung. Obwohl nun, da statt zweien acht Zwerge dort unten hingen, allmählich kein Platz mehr in der Kammer des Kommandanten war.
    Wenn er noch jemanden an die Wand hängen musste, würde er weitergraben und die Höhle vergrößern müssen…
    Das konnte allerdings ein Problem werden.
    Obwohl er schon geahnt hatte, dass irgendwann derlei geschehen würde.
    Von dem Moment an, als sie Nattergriff nach Vorrngarth gebracht hatten, hatte er gewusst, dass schon bald etwas passieren würde. Doch er hatte die Zeit weidlich genutzt, um sich an ihm zu rächen. An Bragk Nattergriff, der ihn gemeinsam mit Felsigk Klammgluth verraten und in die Hölle von Vorrngarth geschickt hatte. Er hatte sich daran erinnert. Faust um Faust. Schlag um Schlag. Zahn um Zahn.
    Oh ja, er hatte es Nattergriff heimgezahlt, gerade so weit, dass noch genügend Wut für Klammgluth, seinen anderen missratenen Zögling, übrig war…
    Silberkies hätte ein ganzes Zwergenleben damit weitermachen können. Nattergriff in seinen Ketten wieder hochpäppeln, um ihn wieder und wieder zu brechen. So lange, bis auch Klammgluth neben ihm an der Wand hing.
    Aber die Zeit der vergnügten Folter und der verdienten Rache war vorbei. Denn jetzt waren Zwerge von außerhalb in Vorrngarth eingedrungen, um Nattergriff zu befreien.
    Es konnte keinen anderen Grund geben.
    Denn seit sich im Imperium herumgesprochen hatte, dass Silberkies in die Hohe Höhle eingezogen war, war Nattergriff der letzte lebende Zwerg, der den Weg ins Undenkbare ebnen konnte, der Einzige, der genug von Fallen und Diebstahl verstand, dass er zumindest eine Chance hatte, den gemeinen Gang zu meistern.
    Doch Silberkies wunderte sich über jene, die gekommen waren, um den Meisterdieb zu befreien. Er hatte mit Klammgluth und einigen seiner Halunken gerechnet. Wusste er doch, dass sein verräterischer Zögling sein Erbe irgendwann ganz antreten und das Undenkbare denkbar machen wollte.
    Doch statt des Zwergischen Zwielichts war der Schicksalszwerg gekommen. Der Allerhöchste, sein Gedächtnis, der blinde General, der Ferkelbändiger, der Übellaunige und der kleine Wirrbart, die sich der großen Erzferkelprophezeiung entgegengestellt hatten.
    Die Geschichten um diese sechs waren selbst hinunter bis nach Vorrngarth gedrungen. Und Silberkies fragte sich, weshalb diese Zwerge wohl das Undenkbare wagen wollten.
    Aber vielleicht würde er das noch herausbekommen.
    Womöglich sogar noch, bevor Klammgluth mit seinen Männern kam.
    Denn kommen würde er mit Sicherheit…
    Schnappsagk Silberkies wusste, dass seine Zeit in der Haut des Kommandanten zu Ende ging. Das Einzige, was ihm am Ende seines Ganges noch blieb, war, die Art dieses Endes selbst zu bestimmen.
    Es war unwahrscheinlich, dass er das Ganze überlebte. Denn Klammgluth würde gewiss über Leichen gehen, um Nattergriff in seine Gewalt zu bringen. Natürlich hätte Silberkies den Meisterdieb auch einfach umbringen können. Wenn er die Nachricht von seinem Tod erhielt, würde Klammgluth womöglich davon absehen, nach Vorrngarth zu eilen. Aber dafür liebte Silberkies Nattergriff zu sehr. Er war sein Zögling, der Schlüpfling seines Bartbruders und ihm fast so nahe wie sein eigener Bart. Außerdem empfand Silberkies Hochachtung vor seiner Kunst. In Diebesdingen und Fallenkunde war Nattergriff längst über seinen alten Lehrmeister hinausgewachsen. Einen solchen Hort des Zwielichts zu zerstören, wäre für Silberkies einer Erzsünde gleichgekommen. Ihn zu beschädigen, war allerdings etwas anderes. Und Nattergriff für seinen Verrat einige Finger zu brechen, hatte er als sein gutes Recht erachtet.
    Nun aber war auch die Zeit der Rache vorbei, die ihm seine letzten Augenblicke in Vorrngarth wie schweres Honigbier versüßt hatte.
    Er seufzte leise. So hatte alles seine Schicht im Leben eines Zwergs.
    Wehmütig wandte er sich einer kleinen Kiste aus polierter Rotwurzelrinde zu, die zwischen den Ständern mit seiner

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