Das Abkommen
zu, dass diese Schlussfolgerung keine intellektuelle Meisterleistung war, aber ich hatte zumindest die Lage erfasst.
Mit Anne in den Armen beugte ich mich zurück und sah mir die Vorderseite des Wagens an. Sie war völlig zertrümmert – mit diesem Auto würden wir nicht von hier wegkommen.
Ich wusste, dass zwei der Angreifer noch am Leben waren, obwohl ich nur den Mann sehen konnte, der über die Motorhaube des Pick-ups hinweg um sich schoss. Plötzlich suchte er hinter der Fahrerkabine Deckung, und einen Augenblick später explodierte die halbe Windschutzscheibe, das Fenster hinter der Fahrertür und der größte Teil des Metalls dazwischen. Ich sah, wie der Mann nach hinten taumelte und dann zu Boden fiel, das Gesicht durch umherfliegendes Glas zu einer blutigen Masse verstümmelt.
Als wir den Schuss schließlich hörten, tauchte der andere Mann wieder auf, zerrte seinen Kameraden in das, was von dem Pick-up noch übrig war, und ließ uns in einer Wolke aus verbranntem Gummi zurück.
Anne sah ihnen nach. Offenbar war sie genauso verwirrt wie ich. Sie ließ mich los und brachte einige Zentimeter Abstand zwischen uns. »Sind sie … Sind sie weg?«
Ich ließ mich auf Hände und Knie nieder und lugte hinter der Motorhaube des Wagens hervor. Von der Stelle aus konnte ich die beiden verstümmelten Leichen und die sich ausdehnenden Blutlachen unter ihnen sehen. Die Atmosphäre in diesem Moment kann ich nur mit dem Klischee der »Totenstille« beschreiben. Innerhalb weniger Sekunden war aus dem Chaos eine unheimliche Ruhe geworden.
Anne zupfte an meinem Hemd. Als ich mich umdrehte, sah ich gerade noch, wie sie sich eine Träne von der Wange wischte. »Was sollen wir jetzt tun?«
»Ich weiß nicht. Weglaufen?«
Links und rechts von der Straße gab es nur Weiden, deren Gras von Kühen kurz gehalten wurde. Warum passierte uns so etwas ausgerechnet dann, wenn wir von Weideland umgeben waren? Warum hatte man uns nicht neben einem hohen Kornfeld überfallen? Oder in einem dichten Kiefernwald?
Sie schüttelte den Kopf. »Das würden wir nicht schaffen. Was ist mit Ihrem Handy?«
»Ich habe es nicht mitgenommen«, erwiderte ich. Ich hörte mich an, als hätte ich mich schon mit unserem Schicksal abgefunden.
»Glauben Sie, dass Ihre Leibwächter Hilfe holen wollten?«
Ich gab ihr keine Antwort, und die Angst in ihren Augen wich Resignation.
Wie hatte ich nur so dumm sein können? Wie hatte ich sie in diese Sache hineinziehen können? Wenn sie verletzt oder getötet wurde, war das meine Schuld.
Ich drehte mich um und wollte um den Wagen herumkriechen, wobei ich krampfhaft versuchte, die Leiche neben uns zu ignorieren. Anne hielt mich am Fuß fest. »Was machen Sie da?«
»Ich will mich umsehen.«
»Nein!«, sagte sie. »Das ist viel zu gefährlich … Sie …«
Sie brach ab, wohl, weil ihr klar wurde, dass es nur unwesentlich gefährlicher war, als hier sitzen zu bleiben und abzuwarten, was geschehen würde.
Ich kroch um die verbeulte Stoßstange herum, holte tief Luft und streckte meinen Kopf vor.
»Können Sie etwas sehen?«
Ich konnte tatsächlich etwas sehen: einen Mann, der aus etwa hundert Metern Entfernung mit einem Gewehr in der Hand auf uns zugerannt kam. Plötzlich blieb er stehen, was wegen seiner sparsamen Bewegungen wie ein automatischer Reflex aussah, und richtete das Gewehr auf mich. Ich wich so schnell zurück, dass ich das Gleichgewicht verlor und auf dem Rücken landete. Der Schuss, mit dem ich fest gerechnet hatte, kam aber nicht.
»Was ist los?«, fragte Anne, die ihre Hände unter meine Achseln schob und mir in den relativen Schutz des Wagenreifens zurückhalf. »Haben Sie …?«
»Sie können jetzt rauskommen!«
Der Akzent war unverkennbar britisch, und es klang, als würde der Mann direkt hinter dem Wagen stehen.
»Hallo? Kommen Sie jetzt bitte raus!«
Ich holte tief Luft und stand langsam auf. Dann hob ich die Hände und ging ein paar Schritte von Anne weg. Sie wollte mich festhalten, doch ich war schon außer Reichweite.
Er war dünn, etwas über einsachtzig groß und hatte ein leicht sonnenverbranntes Gesicht und kurze braune Haare. Sein Brustkorb bewegte sich auf und ab, sodass das Gewehr in seinen Händen etwas hin- und herschwankte.
»Wo ist das Mädchen?«, fragte er, während sein Blick über die sanfte Hügellandschaft schweifte.
»Das spielt keine Rolle. Sie ist nur meine Sekretärin. Sie hat nichts damit zu tun.«
Er schien mir nur mit halbem Ohr zuzuhören, während
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